Ferdinand Graf Zeppelin
Allem Anschein nach war er dem Grafen nicht unsympathisch gewesen. Aber das musste noch nichts bedeuten. Noch immer konnte ein anderer Bewerber daher kommen und ihn ausstechen! Die nächsten Tage würden fürchterlich werden!
Seine Sorgen sollten sich als unbegründet erweisen: nur vier Tage später stand Georg Hacker in Paradeuniform bereits wieder am Hafenbahnhof. Gestern Nachmittag hatte er das ersehnte Telegramm erhalten: »Wann können Sie schnellstens eintreffen? Brief unterwegs. Graf Zeppelin.«
Kurz darauf klopfte er vorsichtig an der Tür von Zeppelins Büro, worauf er von einem Sekretär in breitestem Schwäbisch in den Empfangsraum gebeten wurde. »Da sind Sie ja, Hacker. Guten Morgen!« begrüßte ihn der Graf Zeppelin und kam dann sofort auf das Wesentliche. »Wir haben keinerlei Zeit zu verlieren. In vierzehn Tagen soll unser Luftschiff aufsteigen. Sie müssen sich also tüchtig anstrengen, um in dieser kurzen Frist das Wesen der Luftfahrt und alle wichtigen Einrichtungen, sowie die Handhabung der Steuerung kennen zu lernen. In den geldlichen Angelegenheiten ist der Herr Uhland für Sie zuständig. Der wird Ihnen auch die Unterkunft nennen, die wir für Sie reserviert haben. Diese Dinge können Sie am besten jetzt gleich abklären. In einer Viertelstunde werden wir dann mit dem Boot nach Manzell fahren. Ach ja«, er unterbrach sich und musterte Hacker von Kopf bis Fuß. »Haben Sie eigentlich auch einen Zivilanzug dabei?«
»Ja natürlich, Exzellenz.«
»Dann wäre es mir lieber, wenn sie mich in Zivil begleiten würden.«
Damit war Georg Hacker – zunächst noch probeweise – in den Kreis der Führungsriege des Grafen Zeppelin aufgenommen und keine Woche später hatte er die letzte Prüfung für seine endgültige Anstellung bereits erfolgreich bestanden. Auch diese Prüfung war, wie alle anderen zuvor, nicht angekündigt worden, sondern Bassus, Dürr und Zeppelin selbst hatten den Probanden verschiedentlich in ein belanglos wirkendes Gespräch verwickelt, das sich erst in seinem weiteren Verlauf als eine sorgfältige Überprüfung der Kenntnisse erwies, die sich der eifrige Hacker innerhalb kürzester Zeit angeeignet hatte. Dass seine Probezeit nunmehr vorüber war, ließ sich an der Tatsache ablesen, dass ihn die Wirtin des »Buchhorner Hof« heute gleich bei seinem Eintreffen überraschenderweise in eines der Nebenzimmer führte. Hier versammelten sich nach getaner Arbeit regelmäßig Oberingenieur Dürr und all die anderen Ingenieure, die er direkt vom Polytechnikum in Stuttgart zu der Luftschiffbaugesellschaft nach Friedrichshafen geholt hatte, zu ihrer allabendlichen Stammtischrunde, genau so, wie sie das schon früher im Stuttgarter Gasthof »Post« gepflegt hatten. Wer hier saß, der durfte sich mit Fug und Recht zur Kernmannschaft des Grafen Zeppelin zählen. Und Georg Hacker nahm künftig in dieser Runde als erster vom Grafen Zeppelin ausgebildeter Luftschiffkapitän einen ganz besonderen Rang ein, auf den er Zeit seines Lebens immer wieder gerne verwies. Dass er sich darüber hinaus sogar ein Arbeitszimmer mit dem Neffen des Grafen Zeppelin, dem Oberingenieur Ferdinand von Zeppelin junior teilen durfte, den sie alle in der Werft nur den »jungen Grafen« nannten, erfüllte Hacker natürlich mit einem ganz besonderen Stolz.
Und dabei war es gleich an seinem ersten richtigen Arbeitstag zu gewissen Problemen gekommen, denn der Pförtner hatte ihm den Zutritt zu dem mit einem hohen Holzzaun gesicherten Werftgelände strikt verweigert. »Aber ich bin zur Ausbildung als neuer Steuermann von seiner Exzellenz persönlich angestellt worden«, versuchte Hacker den Wächter an der Eingangspforte mit Engelszungen von seiner Zutrittsberechtigung zu überzeugen. Es war nichts zu machen! »Da kann ja jeder daher kommen und behaupten, er sei ein neuer Mitarbeiter!«
»Das bin ich doch auch. Ich heiße Hacker. Georg Hacker! Und ich soll zum Steuermann des Luftschiffs ausgebildet werden!«
»Und wenn Sie in Wirklichkeit der Spion Hacker sind? Was ist dann?«
»Das bin ich aber nicht! Irgendwo muss doch mein Name auf einer Liste vermerkt sein!«
»Ist es aber nicht!« Der Mann ließ einfach nicht mit sich reden! »Und wen ich nicht kenne, den lasse ich auch nicht hinein.«
»Dann ist es Ihre Schuld, wenn ich gleich an meinem ersten Arbeitstag zu spät komme!«
»Anweisung ist Anweisung! Und von seiner Exzellenz habe ich den Namen Hacker nicht genannt bekommen«, zuckte der Pförtner mit den
Weitere Kostenlose Bücher