Ferdinand Graf Zeppelin
Bedenken. Wir können wieder hochsteigen, Exzellenz«, kommentierte der Ingenieur. Am leichten Vibrieren seiner Stimme ließ sich die Vorfreude heraushören, die nach dem phänomenalen Erlebnis der ersten Fahrt selbst den nüchternen Dürr ergriffen hatte.
Blieb noch die Frage nach dem Wetter in den kommenden Stunden. Aber auch der Meteorologe Hergesell hatte keinerlei Einwände vorzubringen. »Die Wetterlage ist stabil. Wir müssen heute nicht mit plötzlich auftretenden Fallwinden oder gar mit einem Wetterumschwung rechnen. Alles ist gut.«
Zeppelin nickte zufrieden. »Allein die Tatsache einer zweiten Fahrt innerhalb von 24 Stunden wird den Zweiflern an meiner Sache schwer zu schaffen machen! Das ist der klare Beweis, dass das Luftschiff für den Alltagsbetrieb taugt. Also Männer, an die Arbeit: zeigen wir ihnen, wie verlässlich unsere Technik funktioniert!«
Der zweite Aufstieg verlief jedoch nicht ganz so reibungslos wie der erste, denn ausgerechnet in dem Moment, als sie das Luftschiff mit Hilfe des Motorboots langsam aus der Halle zogen, setzte urplötzlich ein böiger Wind ein, der seitlich auf den riesigen Schiffskörper prallte und das Luftschiff mitsamt dem Schleppboot zurücktrieb! So sehr sich die Besatzung des Schleppbootes mit verzweifelten Gegensteuerversuchen und einem auf höchster Drehzahl laufenden Motor auch abmühte: sie wurden wie von einer Riesenfaust gepackt weiter nach hinten getrieben! Auch die hastig ausgeworfenen Anker brachten keinerlei Erfolg. »Wir müssen etwas unternehmen! Da vorne taucht schon die Halle auf! Der Wind treibt uns direkt darauf zu!«
Es würde keine zwei Minuten mehr dauern, und das Schiff würde direkt auf die Halle prallen! Was das für »LZ 3«, seine Besatzung und selbst für die Männer auf dem Schleppboot bedeuten musste, war jedem von ihnen nur allzu schockhaft bewusst!
»Wir müssen hoch! Kommando zum Aufsteigen! Sofort!«, donnerte Zeppelins Befehl durch die atemlose Stille in den Gondeln. »Die Halteleinen los! Wasserballast ablassen, soviel wie möglich!«
Von Halteleinen und Ballast schlagartig befreit schoss das Schiff nun förmlich in die Höhe, doch nach wie vor trieb es der Wind unerbittlich auf das Dach der Halle zu. »Das wird ganz knapp!« murmelte Ludwig Marx, der Bootsführer der nunmehr geretteten »Württemberg«, dem beinahe der Atem stockte, als er hilflos beobachten musste, wie das Luftschiff die Halle erreichte. Unwillkürlich fasste er sich mit beiden Händen an die Ohren und schloss in Erwartung der Explosion, die dem Aufprall folgen würde, kurz die Augen. Doch das Wunder geschah: der Knall blieb aus! Kein Meter mochte mehr zwischen Hallendach und den Gondeln gewesen sein, mit knapper Not war das Luftschiff darüber hinweg gefegt und über Land getrieben worden – und jetzt: jetzt hatte der Graf ganz offensichtlich das Kommando zum Ankoppeln der Motoren gegeben. »Bitte lass die Motoren einwandfrei arbeiten«, schickte Marx ein Stoßgebet zum Himmel. Auch diese Bitte wurde erhört: alle vier Luftschrauben arbeiteten einwandfrei und stemmten sich dank der beiden 85 PS starken Motoren jetzt kraftvoll gegen den Wind! Die Rückwärtsbewegung des weiter in die Höhe steigenden Luftschiffs verlangsamte sich, nun schien der Schiffskörper einen Augenblick lang regungslos am Himmel zu stehen und dann … setzte allmählich die Vorwärtsbewegung ein. Langsam, dann schneller und schneller gewann »LZ 3« an Fahrt!
Die Beobachter durften aufatmen – und erst recht die Besatzung an Bord. Mit knapper Not waren sie an einer Katastrophe vorbei geschrammt. Es war gerade noch einmal gut gegangen!
Im Nachhinein durfte man sogar voller Stolz konstatieren, dass sich »LZ 3« auch unter widrigsten Bedingungen als steuerbar erweisen hatte. Mit den vom Militär bevorzugten »unstarren Ballonen« wäre ein solcher Coup niemals möglich gewesen. Das konnte niemand ernsthaft bestreiten! Ihr Luftschiff hatte seine Feuertaufe glänzend bestanden, nicht minder die tapfere Besatzung, die trotz aller kritischen Zuspitzung keine Sekunde lang die Nerven verloren hatte. Kein einziger von ihnen! Ferdinand von Zeppelin durfte zurecht stolz auf seine Männer sein. »Und zwar auf diejenigen, die unsere Fahrt im Luftschiff mitgemacht haben, genauso wie auf diejenigen, die mit ihrer peniblen Arbeit dafür gesorgt haben, dass wir diese Höchstanforderung an das Schiff und seine Technik überhaupt haben bestehen können!« Dass seine komplette Belegschaft zur Feier der
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