Ferdinand Graf Zeppelin
hochsteigen!«
»Das will ich schon«, lachte der Graf, der sich seinen Männern so ausgelassen und fröhlich zeigte, wie selten einmal zuvor. »Wir müssen ohnehin nach oben, um den Horgenberg zu überfliegen. Die Eisenbahn hat es da leichter, die fahren einfach durch den Tunnel direkt nach Zürich.«
Auch dieses Manöver klappte problemlos, sie stiegen nun auf beinahe 900 Meter Höhe, durchquerten mit dem Luftschiff sogar ein enges Tal und wenig später hatten sie den Zürichsee erreicht, über dem die Windverhältnisse deutlich günstiger waren, sodass Zeppelin ein neues Kommando erteilen konnte. »So – und nun gehen wir möglichst weit nach unten, damit wir auch etwas von dieser wunderschönen Landschaft sehen können – und die Menschen von uns!«
Als hätten sie unten in Zürich dieses Kommando gehört, geriet der Verkehr in der Stadt schlagartig ins Stocken, ganz Zürich schien nur noch Augen für dieses Phänomen zu haben, das da in seiner prachtvollen Eleganz langsam über ihren Köpfen dahin schwebte. »Ich habe Postkarten von unserem Luftschiff dabei, erbitte die Erlaubnis zum Abwerfen, Exzellenz!«
»Erlaubnis erteilt!« bedachte Zeppelin seinen Steuermann Hacker mit einem fröhlichen Grinsen. Die ersten Luftpostkarten der Ära Zeppelin. Sie sollten nicht die letzten bleiben!
»Die Weiterfahrt bis an den Walensee sollten wir aber besser bleiben lassen«, deutete Professor Hergesell zum Horizont, an dem sich große schwarze Wolken zu einer Gewitterfront formierten.
»Kommando zum Richtungswechsel«, reagierte Zeppelin prompt. »Wir nehmen neuen Kurs Nordost in Richtung Winterthur!«
»Zu Befehl, Exzellenz!«
Über den Thurgau ging es weiter, an einer Bahnlinie entlang. »Da! Da unten kommt der Zug! Wir halten uns genau parallel zu der Eisenbahn.« Eine Zeitlang fuhren das Luftschiff und die Dampflok mit ihren begeistert winkenden Passagieren nun um die Wette, keiner schaffte es freilich, den anderen abzuhängen. Ein grandioses Spektakel!
»Nun gut! Wir wollen uns nun verabschieden. Es ist Zeit zur Heimfahrt. Wir nehmen Kurs auf die Rheinmündung bei Bregenz, dann weiter am Bodenseeufer entlang. Lindau. Friedrichshafen.« Ingesamt zwölf Stunden hatte die Fahrt von »LZ 4« gedauert, die längste Fahrt, die je ein Luftschiff absolviert hatte. Eine klarere Bestätigung für die demnächst anstehende 24-Stunden-Fahrt konnte es gar nicht geben. Und als Höhepunkt des triumphal verlaufenen Tages spielte der Wettergott weiter seine geradezu märchenhafte Rolle. »Was für ein Sonnenuntergang! Schauen Sie nur einmal: der ganze See ist glutrot gefärbt!« »Herrlich! Ein überwältigendes Farbenspiel. Und wir mittendrin! Was muss das erst für ein einmaliger Anblick für die Menschen sein, die überall am Ufer stehen!«
»Sehen Sie doch nur, Exzellenz, was die Bürger von Friedrichshafen Ihnen zu Ehren gemacht haben!«
An allen Fahnenmasten war geflaggt worden: einträchtig wehten die schwarz-weiß-rote Reichsflagge und die schwarz-rote Fahne des Königsreichs Württemberg im sanften Abendwind. Dazu gesellten sich aus ungezählten Dachfenstern weiß-blaue Fahnen, die Farben des Hauses Zeppelin. Von den Kirchtürmen klangen die Glocken, in der Stadt ertönte Marschmusik – und als der Graf Zeppelin schließlich an der Spitze seiner Männer bei der Anlegestelle am »Deutschen Haus« aus dem Boot kletterte, da kannten der Jubel und die Hochrufe keine Grenzen mehr. Wie ein Jungbrunnen schien die Begeisterung der Menschen auf den bald 70-jährigen Grafen zu wirken, der mit einem zufriedenen Lächeln und funkelnden Augen die Huldigungen gerührt entgegen nahm. Und selbstverständlich waren wieder alle seine Männer mitsamt ihren Familienangehörigen zu der üppigen Festtafel im »Deutschen Haus« eingeladen, an der sie den überragenden Triumph ihrer »Schweizer Fahrt« bis weit in den frühen Morgen hinein ausgelassen feierten.
Trotz der vorgerückten Stunde, zu der sie endlich ins Bett gegangen waren, fanden sich bereits am späten Vormittag wieder alle zur Arbeit in der Luftschiffhalle ein. Jetzt galt es, das Schiff routinemäßig für den nächsten Aufstieg vorzubereiten und die während der langen Fahrt in die Schweiz gesammelten Erfahrungen in die Merkbücher zu übertragen. »Mir machen dabei die Motoren immer noch ein gewisses Kopfzerbrechen«, äußerte Ludwig Dürr gegenüber dem Grafen seine Sorge. »Wenn ich daran denke, wie mühevoll wir bei dem starken Gegenwind gerade noch voran gekommen
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