Ferdinand Graf Zeppelin
Ingenieur auch Zeppelins Neffe, der diese ehrenvolle Auszeichnung gar nicht mehr für möglich gehalten hatte: »Bei dem ganzen Pech, das ich immer habe! Ausgerechnet ich, der Unglücksrabe meiner Familie …«
»Darum wollen wir versuchen, künftig in der Öffentlichkeit ein anderes Bild von dir zu zeichnen«, merkte sein Onkel schmunzelnd an. »Ein Graf Zeppelin ist schließlich keine Witzfigur. Du wirst den Leuten schon zeigen, was in dir steckt. Sonst hätte ich dich übrigens auch gar nicht ausgesucht, wenn ich nicht der festen Meinung wäre, dass du uns mit deiner Ingenieursausbildung wertvolle Dienst leisten kannst. Touristen können wir auf dieser Fahrt wahrlich keine gebrauchen.«
Zeppelins Entscheidung über die definitive Auswahl der zwölf Männer hatte sich in Friedrichshafen natürlich blitzschnell herumgesprochen. Ein weiteres Indiz dafür, dass die geschichtsträchtige 24-Stunden-Fahrt wohl unmittelbar bevorstehen musste! Die Spannung in der Stadt stieg allmählich auf den Siedepunkt, zumal keiner aus der Luftschiffmannschaft auf eine konkrete Frage Antwort geben mochte. Mehr als ein paar unverbindliche Floskeln waren nie zu erfahren. Gleichzeitig strömten immer mehr neue Besucher aus ganz Deutschland nach Friedrichshafen, dessen Gasthöfe und Hotels längst wieder aus allen Nähten platzten. Dementsprechend unruhig und nervös ging es rund um das Werksgelände von Manzell zu, das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang tagtäglich von einer gewaltigen Menschentraube belagert wurde, die jede Bewegung um die große Schwimmhalle mit Argusaugen verfolgte. Es war eindeutig, dass es sich bei diesen Aktivitäten nur noch um die allerletzten Vorbereitungen zum Aufstieg handeln konnte! Demnächst würde »LZ 4« die Halle verlassen – und sie alle würden Zeugen eines denkwürdigen Augenblicks werden, der in die Analen eingehen würde!
Doch ausgerechnet jetzt verschlechterte sich das Wetter und wurde wechselhaft. Nicht nur zum Verdruss der ungeduldigen Zaungäste, sondern hauptsächlich von Professor Hergesell, dem die wenig angenehme Aufgabe zufiel, den Luftschiffern ein ums andere Mal zu verkünden, dass es mit einem Aufstieg am nächsten oder übernächsten Tag wohl nichts werde. Zweimal hatte der erfahrene Meteorologe dann aber doch eine günstige Prognose stellen können und jedes Mal waren sie – begleitet vom tausendfachen Jubel der Massen – bereits aufgestiegen, als sich kleinere Störungen an den Motoren und den Rudern bemerkbar machten, die das Luftschiff zur Umkehr zwangen. »Ich möchte so kurz vor dem endgültigen Erfolg keinesfalls mehr ein Risiko eingehen, denn selbst das kleinste Problem kann sich im Verlauf dieser langen Fahrt zu einer ernsten Sache auswachsen. Lieber beheben wir den Defekt – und möge er noch so klein sein – in der Halle und verschieben die Dauerfahrt eben ein weiteres Mal. So viel Umsicht muss einfach sein«, entschied der Graf, nach einer kurzen Beratung mit Ludwig Dürr und seinen beiden Luftschiffkapitänen.
Insofern war die überkochende Begeisterung der Bevölkerung längst einer gespannten Anteilnahme gewichen, als frühmorgens wieder einmal zwölf Männer in die beiden Gondeln kletterten und das Luftschiff am 4. August 1908 mit einem neuerlichen Aufstieg begann. »Ballast ablassen und die Halteleinen los!« lautete um exakt 6 Uhr 22 Zeppelins entscheidendes Kommando. Das Wetter schien stabil zu bleiben – ganz so, wie von Professor Hergesell vorausgesagt. Die Alpenkette erstrahlte märchenhaft im milden Licht der Morgensonne und bildete damit eine ideale Kulisse für das herrliche Bild, das die riesenhafte Zigarre in den Himmel zeichnete, während sie mit ruhiger Fahrt den Bug nach Konstanz ausrichtete. Alle Funktionen arbeiteten einwandfrei. »Ich glaube, dieses Mal könnte es gelingen, Exzellenz«, flüsterte Dürr mit vor Ergriffenheit rauer Stimme.
»Das sehe ich genauso«, gab der Graf zurück und warf dabei einen fröhlichen Blick über die Runde seiner Leute in der vorderen Gondel. »Ich denke, wir können heute ein wichtiges Kapitel deutscher Luftfahrtgeschichte schreiben. Ach ja: Haben wir eigentlich unsere Postkarten mit dabei? Ich sehe sie nämlich nirgendwo.«
»Ich habe sie dort drüben gelagert, Exzellenz«, deutete Hacker auf ein Fach an der Innenseite der Gondel.
»Schön«, nickte Zeppelin zufrieden. »Dann kann es ja losgehen.« Er faltete seine Hände und sprach ein kurzes Gebet. »Genießen Sie alle diesen wunderschönen Tag genauso
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