Ferdinand Graf Zeppelin
die Strecke bis hierher in drei Stunden zurück gelegt.«
»Das waren exakt 159 Kilometer, geteilt durch drei Stunden, entspricht einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 53 Stundenkilometer«, errechnete Hacker und schürzte anerkennend die Lippen. »Das ist eine respektable Leistung …«
»… von jetzt an könnte es allerdings etwas weniger werden, denn ich rechne nun in der Rheinebene mit einem leichten Gegenwind. Aber nur mit einem leichten. Deshalb wäre aus meiner Sicht wohl eine Höhe von 100 Metern über Grund empfehlenswert«, meldete sich Bassus zu Wort, der neben seinen Aufgaben als Spezialist für Fluggase und Auftrieb bei dieser Fahrt auch die Funktion des Meteorologen übernommen hatte, nachdem Professor Hergesell zu seinem größten Bedauern in Friedrichshafen hatte zurückbleiben müssen.
»Hacker? Lau? Dürr?« blickte Zeppelin fragend in die Runde. »Was meinen Sie?«
»Dasselbe!« erschallte es postwendend wie aus einem Mund.
»Nun gut, ich bin im übrigen auch dieser Ansicht. Lassen Sie uns also auf aktuell 370 Meter Meereshöhe herunter gehen.«
»Jetzt haben wir bis zum geplanten Wendepunkt in Mainz noch 300 Kilometer in nördlicher Richtung vor uns. Das Interessante dabei ist, dass wir uns jetzt schon 30 Meter tiefer befinden, als der Bodenseespiegel mit seinen 400 Metern Meereshöhe«, konstatierte Bassus.
»Und das Gute dabei ist, wie breit das Rheintal bis Mainz bleiben wird. Sollten wir also, was ich nicht hoffe, irgendwelche Probleme bekommen, können wir überall problemlos herunter gehen. Zumal der Rhein hier alles andere als ein reißender Gebirgsfluss ist«, meldete sich Dürr zu Wort, der wie üblich schon wieder damit beschäftigt war, auch unliebsame Ereignisse schon einmal im Kopf genau durchzuspielen, bevor man womöglich unvorbereitet mit ihnen konfrontiert würde.
»Ich sehe nicht, wo wir ein Problem bekommen sollten«, warf Hacker unwirsch dazwischen, dem der ewige Pessimismus seines direkten Vorgesetzten an einem so wunderbaren Tag wie heute hörbar auf die Nerven ging. »Und wenn alles so bleibt, wie bisher, werden wir gegen 5 Uhr am Nachmittag die Rückfahrt antreten können. Wir haben dann vielleicht sogar noch ein bisschen Zeit übrig, um das eine oder andere Manöver durchzuführen, bis die 24 Stunden absolviert sind.«
»Jetzt nur nicht übermütig werden, Hacker«, bedachte Dürr den Steuermann mit einem warnenden Blick. »Es kann innerhalb von so vielen Stunden noch eine ganze Menge passieren.«
»Vom Wetter haben wir jedenfalls nichts zu befürchten: das wird sich bis zum Abend nicht ändern«, prophezeite Bassus. »Aber schauen Sie doch nur: wohin wir auch kommen, überall stehen die Menschen in dichten Trauben beieinander und winken uns begeistert zu. Als würden wir an einem unsichtbaren Band gezogen haben die Leute offenbar schon längst Nachricht davon erhalten, dass wir gleich über ihren Köpfen erscheinen werden.«
In der Tat befand sich das ganze Land inzwischen in einer regelrechten Zeppelin-Euphorie. Unablässig wurden neue Nachrichten von der Fahrt des Luftschiffs über die Telegrafen in ganz Deutschland verbreitet und in zahlreichen Extrablättern mit besonders großen Schlagzeilen unter die Leute gebracht. »Das Luftschiff ist in Basel gesichtet worden!«
»Jetzt fährt es an Freiburg vorbei!«
»Der Zeppelin kommt!«
Lückenlos wurde die Fahrt dokumentiert – kein Kilometer zurückgelegt, ohne dass nicht eine neue Meldung eingegangen wäre. Das Wetter für solche Beobachtungen konnte idealer nicht sein: wie ein silberner Walfisch erstrahlte das gigantische Luftfahrzeug im hellen Sonnenlicht dieses Augusttages und versetzte die Massen in regelrechte Begeisterungsstürme. Niemand konnte sich dieser Faszination entziehen, die von dem majestätisch am Himmel schwebenden Luftschiff ausging. Jede Frau, jeder Mann, ja sogar ganze Betriebe und Behörden – alle, denen dieses irgendwie möglich war, beschlossen im weiteren Verlauf dieser sich allmählich ins Unermessliche steigernden wahren Zeppelinhysterie, die Arbeit für heute liegen zu lassen und so rasch wie möglich an einen der Orte zu eilen, an dem es möglich war, das faszinierende »LZ 4« mit eigenen Augen zu erblicken!
Ob wohl alles gut ging – und sich der »Zeppelin« tatsächlich 24 Stunden am Himmel würde halten können? Eine atemlose Spannung herrschte im ganzen Reich, während das Für und Wider heftig diskutiert wurde.
»Jetzt sind sie über Straßburg gesichtet
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