Ferdinand Graf Zeppelin
wie beim ersten Mal: es war folglich vorhersehbar gewesen, dass sich das Schiff dadurch weiter in die Höhe bewegen würde. »880 Meter!« berichtete Bassus, der seinen angespannten Blick gar nicht mehr vom Höhenmesser nahm. »Jetzt sind wir offenbar zum Stillstand gekommen!«
Das Zischen und Pfeifen der Überdruckventile war ein deutlicher Hinweis, was sich im Inneren der Hülle in den voll aufgeblähten Gaszellen gerade abspielte. Wieder die Aufheizung durch die Sonneneinstrahlung aufgrund der größeren Höhe und des fehlenden Fahrtwindes, wieder ging kostbarer Wasserstoff verloren und wieder mussten sie schweren Herzens noch mehr Wasserstoff aus den Zellen entweichen lassen, um auf eine akzeptable Fahrthöhe herunter gehen zu können, sobald der hintere Motor wieder seinen Dienst versah. Auch das glückte ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Keiner der Männer konnte sich eines ehrfürchtigen Schauders erwehren, als sie jetzt auf der Höhe von Speyer an seinem beeindruckenden Kaiserdom vorbei schwebten. Und nach wie vor zog die Fahrt von »LZ 4« die Menschen in Massen aus ihren Häusern. »Mannheim! Die Quadratstadt. Schaut doch nur! An beiden Ufern des Rheins stehen sie dicht an dicht gedrängt, wie die Ameisen!« Kaum hatten die Luftschiffer der Menge aus den beiden Gondeln ihren Gruß entboten, da lief es wie eine riesige Welle durch die zurück winkenden Menschen. Und als das Luftschiff den Rheinhafen überquerte, ertönten plötzlich gleichzeitig die Dampfpfeifen aller im Hafen liegenden Flussschiffe, in deren ohrenbetäubende Signale sich nun auch noch die Sirenen der Mannheimer Fabriken mischten, deren Arbeiter ebenfalls ins Freie geeilt waren, um den einmaligen Anblick des »Zeppelin« nicht zu verpassen. Ein ohrenbetäubendes Spektakel.
Nachdem sie am Nachmittag um 15 Uhr 29 die Wormser Rheinbrücke hinter sich gelassen hatten, gab der Graf den Befehl zum erneuten Stoppen des hinteren Motors. Inzwischen war das Schiff immer hecklastiger geworden, da Ballast nur von der vorderen Hälfte abgegeben worden war. Sofort stieg das Schiff auf 1030 Meter hoch. »An die Gaszüge! Gas abblasen – jetzt!« Wieder ein Manöver, das Gas kostete – leider ohne den erhofften Erfolg. Zeppelin hatte damit den vorderen Motor entlasten wollen, doch die Schieflage des Schiffs blieb dieselbe. »Sollen wir nicht auch hinten einmal Ballast ablassen und für die richtige Trimmung sorgen?« gab Bassus zu bedenken. »Die Hecklastigkeit hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass die hinteren Gaszellen mehr der Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen sind und die Ventile deshalb mehr Wasserstoff abgeblasen haben, als mir das eigentlich recht war.« »Keinesfalls! Damit würden wir wieder mehr in die Höhe steigen und müssten dann noch mehr Wasserstoff abgeben. Das wäre ein kleiner Teufelskreis, den ich gerne vermeiden möchte. Nein: Noch kommen wir gut voran. Lassen wir also alles so, wie es ist.« Und dennoch: die dramatischen Ereignisse, die sie im weiteren Verlauf der Fahrt in Beschlag nehmen würden. hatten sich mit ihren ersten Vorboten gezeigt.
16 Uhr 05. Ein hässliches metallisches Knirschen, danach ein kurzer Ruck, der in einer Welle den mächtigen Schiffskörper durchlief: am vorderen Motor war ein Zahnrad gebrochen. Augenblicklich verminderte sich die Geschwindigkeit spürbar. »Den Motor sofort stoppen!« rief der geistesgegenwärtige Dürr, der sich inzwischen mit Zeppelin im Kommando abgewechselt hatte, während das Luftschiff langsam tiefer sank. »Vielleicht gelingt es uns, während der Reparatur in der Luft zu bleiben. Das müsste doch gehen mit der Reparatur, was meinen Sie, Laburda?« »Von mir aus schon«, nickte der Monteur und behielt dabei den Motor mit angespannter Miene im Visier. »Nachdem wir ja ziemlich langsam geworden sind, sehe ich darin kein größeres Problem.«
»Das Steuern ist jetzt auf einmal auch deutlich schwerer geworden«, bemerkte Lau, als er sich am Steuer routinemäßig von Hacker ablösen ließ. Ein kurzes Drehen Hackers am Steuerrad bestätigte Laus Eindruck. Weiter verlor das Luftschiff an Höhe. Den Ballast abwerfen? Eher nicht! Ein kurzer Blick zum Grafen genügte den Männern als Antwort. Falls es Laburda mit Hilfe seines Kollegen Schwarz gelang, die Reparatur rasch auszuführen, dann könnten sie aus eigener Kraft wieder Höhe gewinnen. Wenn …
Ganz plötzlich schüttelte Ludwig Dürr ernst den Kopf. »Es geht nicht. Das wird zu gefährlich. Wir müssen uns eine
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