Ferdinand Graf Zeppelin
geeignete Stelle zum Landen suchen. Auf jeden Fall müssen wir wieder direkt über den Rhein kommen!«
Dicke Schweißtropfen perlten über die Gesichter der Männer am Steuerrad, als sie mit dem verbliebenen Motor versuchten, das weiterhin langsam immer tiefer herunter sinkende Schiff so behutsam wie möglich über den Rhein zu lenken. »Wir sollten eine Stelle ziemlich nahe am Ufer suchen …«
Zäh verstrichen die Minuten, keiner sagte ein Wort. Dann plötzlich, ganz kurz bevor sie die Uferlinie überflogen hatten, gab Dürr dem Steuermann Hacker das Zeichen zum sofortigen Landen. Der drehte das Ruder aus Leibeskräften so hart wie möglich auf Steuerbord, um das Luftschiff mit seinem Bug zwischen zwei aus dem Wasser aufragenden Buhnen möglichst genau zwischen die Strömung zu stellen. »Achtung: wir sinken zu schnell!« Nun wurde es eng! Hacker presste seine Lippen fest zusammen, ließ sich jedoch von seinem Steuermanöver nicht abbringen, während von Dürr der nächste Befehl erschallte: »Jetzt! Ballast abwerfen!« 120 Kilogramm Ballast verließen das Schiff – gerade noch zum richtigen Zeitpunkt. Um 17 Uhr 24 setzte LZ 4 sanft auf der Wasserfläche auf. Dieses Manöver war geglückt, doch sofort drohte neue Gefahr, denn das Luftschiff trieb nun unaufhaltsam in einem Winkel von 45 Grad allmählich auf das nördliche Ufer zu. Immer näher gerieten sie an die Uferböschung, schon schleifte die Aluminiumbrücke über den Kies der Buhnen, Teile der Streben verborgen sich oder rissen sogar ganz ab, während sich nur Sekunden später der vordere Laufgang in die grasbewachsene Böschung bohrte. Auch die vordere Gondel drehte sich nun dem Ufer zu, Hacker sprang geistesgegenwärtig heraus und schaffte es tatsächlich, den Laufgang wieder von der Böschung frei zu bekommen. Dadurch legte sich das Schiff längsseits, parallel zum Ufer. Besser hätte Hackers Notmanöver gar nicht gelingen können. »Jetzt ihr!« gab Hacker einem Teil der Besatzung das Kommando, die Gondeln ebenfalls zu verlassen und sie im seichten Wasser stehend so lange festzuhalten, bis ihre Kollegen die Haltetaue ergriffen hatten und das Schiff sicher fixieren konnten. Was für ein Glück, dass im Schutz des Ufers völlige Windstille herrschte, so dass man ohne Hektik daran gehen konnte, die Ankertrossen auszubringen.
»Da kommt schon Hilfe!« nickte Lau mit dem Kinn nach vorne in Richtung Ufer, wo in diesem Moment ein junger Leutnant auftauchte. »Hierher! Sie müssen hier festhalten!« rief Hacker dem sichtlich aufgeregten Mann entgegen, der das Landemanöver aus nächster Nähe verfolgt haben musste. Der Leutnant schien sich freilich nicht darum zu scheren, wie er den gestrandeten Luftschiffern wohl zu Hilfe kommen könnte: das schiere Gegenteil war der Fall! Die Männer glaubten, ihren Augen nicht trauen zu können, als sich der Offizier plötzlich an einem der verbogenen Aluminiumteile zu schaffen machte, es gänzlich abdrehte und es dann in aller Seelenruhe in die Jackentasche steckte. »He! Was machen Sie denn da?! Sie sollen herkommen und uns helfen. Hierher! Auf jetzt!« Doch auch diese Aufforderung verpuffte wirkungslos. So rasch, wie er gekommen war, verschwand der Leutnant wieder.
»Das ist ja nicht zu fassen!«
»Das sind mir schöne Helfer!«
»Dort hinten kommen Leute!«
»Hoffentlich sind das nicht wieder solche Andenkenjäger!« Dieses Mal hatten sie Glück. Bei den Neuankömmlingen handelte es sich in der Mehrzahl um Bauern, die auf den Feldern in der Umgebung gearbeitet hatten, als das Schiff über ihren Köpfen zur Landung auf dem Rhein angesetzt hatte. Zu ihnen gesellten sich mit wahrer Begeisterung noch Leute, die der Fahrt von »LZ 4« mit ihren Pferdefuhrwerken hinterher gehetzt waren, solange dies nur irgendwie möglich war. Allesamt hilfsbereite Menschen, die sich nur allzu gerne bitten ließen, die Haltetaue fest zu ergreifen und sie so lange nicht mehr loszulassen, bis zusätzliche Hilfe eintreffen würde.
Nachdem die kritische Phase der Landung also gut überstanden war, atmete nun auch Ferdinand von Zeppelin erleichtert durch. »Wunderbar, damit haben wir also alles im Griff – im wahrsten Sinn des Wortes«, zeigte er sich sogar schon wieder aufgeräumt. Er watete zu Hacker hinüber, der inzwischen seine Position am Halteseil mit einem der Bauern getauscht hatte und vor sich an der Uferböschung das Kartenmaterial aus der Gondel ausbreitete, das er eingehend studierte. »Wo sind wir genau? Die Leute haben
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