Ferdinand Graf Zeppelin
verfasste und Geige spielte, hatte sich auf dem manchmal allzu glatten Parkett der Politik niemals zurecht gefunden, ebenso wenig, wie er sich mit seiner jungen Gemahlin Amelie in Sigmaringen zuhause fühlte. Das war der Grund, weshalb er bereits im Alter von 30 Jahren den Dienst bei den Hohenzollern quittierte und mit der Familie nach Konstanz zog, um künftig eine Tätigkeit in der Baumwollfabrik der Macaires zu übernehmen. Doch auch für diese Arbeit entwickelte er keine sonderliche Begeisterung. Viel mehr interessierten ihn die Verwaltung der Landwirtschaft auf dem Landgut Girsberg und die Pflege der prächtigen Blumenbeete dort. Das war der Grund, weshalb ihm sein Schwiegervater an Weihnachten 1840 dank der großzügigen Schenkung von Girsberg ermöglichte, sich aus der Baumwollproduktion zurückzuziehen und fortan als Privatier mit gerade einmal 33 Lebensjahren seinen eigentlichen Leidenschaften zu frönen. Es war ein schlauer Schachzug des weitsichtigen David Macaire, denn in Girsberg blühte der Schwiegersohn sichtlich auf: er erwies sich als sparsamer Sachwalter des schönen Landgutes bei Kreuzlingen und zudem als fürsorglicher, liebevoller Ehemann und Familienvater an der Seite seiner über alles geliebten Amelie, einer temperamentvollen, fröhlichen Frau, die mit ihrer offenen Art der gerne gesehene Mittelpunkt jeder Gesellschaft war. Drei Kinder gingen aus dieser Ehe hervor: die 1836 geborene Tochter Eugenie, der zwei Jahre später ihr Bruder Ferdinand folgte, und im Jahr 1842 komplettierte Eberhard schließlich das Dreigestirn. Bis in ihr hohes Alter wurden »Ely«, »Ferdi« und »Ebi« nicht müde, zu beteuern, was für eine sorgenfreie, glückliche Kindheit sie in und um Girsberg hatten erleben dürfen. Es war ein Band, das die drei Geschwister für ihr ganzes Leben fest zusammen schweißte.
Besonders schöne Stunden verlebte die Familie bei ihren zahlreichen freundschaftlichen Kontakten mit den Bewohnern des nicht allzu weit entfernten Schlösschens Arenenberg, das einer berühmten französischen Exilantenfamilie als Wohnsitz diente. Die im Jahr 1837 verstorbene Hortense Beauharnais hatte sich dorthin zurückgezogen, die Stieftochter Napoleons und Mutter des 1808 geborenen Louis Napoleon, der hier am Untersee aufgewachsen war und den der 30 Jahre jüngere Ferdinand bei seinen zahlreichen Besuchen dort schon beinahe als eine Art Onkel betrachtete. Sogar zur Hochzeitsfeier von Ferdinands Eltern in Konstanz war die Familie Beauharnais eingeladen gewesen und damals mit Freuden erschienen – allen voran Louis Napoleon, der ein völlig akzentfreies Deutsch beherrschte. Die vertrauensvollen Bande zwischen Girsberg und Arenenberg waren seitdem noch enger geknüpft und ließen tatsächlich beinahe schon auf eine nahe Verwandtschaft schließen, so selbstverständlich war der Umgangston, den sie untereinander praktizierten. Dass Louis Napoleon im Jahr 1848 dann überraschend Präsident von Frankreich werden würde und vier Jahre später sogar als Kaiser Napoleon III. den Thron besteigen sollte, das hätte zu diesen Zeiten freilich noch keiner von ihnen für möglich gehalten – noch nicht einmal die greise Fürstin Amalie Zephyrine von Hohenzollern, die einst während der französischen Revolution Hortenses Leben gerettet hatte und die sich ganz besonders für einen Wiedereintritt der Familie Napoleon auf die Weltbühne begeistern konnte. Neben all dieser beinahe schon zwangsläufigen Politisiererei kam bei den Treffen der Zeppelins freilich das Gesellige nie zu kurz – ganz zu schweigen von den herrlichen Festmenüs, bei denen sich die französischen Köche den deutschen Kollegen als bei weitem überlegen zeigten.
Auch die Kinder genossen diese Ausflüge in eine für sie auf eigenartige Weise exotisch anmutende Welt in vollen Zügen: kein Wunder, denn schließlich durften sie sich bei ihren Gastgebern als genauso turbulenter, wie hoch willkommener Mittelpunkt des Interesses fühlen und agieren. Vor allem Ferdinand mit seinem blonden Lockenkopf eroberte sich die Herzen der Franzosen und auch der übrigen Verwandtschaft wie im Sturm – und egal, was der Bub an Lausbubenstreichen auch immer fabrizieren mochte: dem »Herzkäfer«, ihrem lieben »Knöpfleschwab« mit seinem herrlichen schwäbischen Dialekt und den himmelblauen Augen konnte niemand lange gram sein. Erst recht nicht die älteren Damen, wenn er ihnen zur Wiedergutmachung mit unschuldigem Augenaufschlag womöglich von ihm selbst in seinem
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