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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Haug
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Oberfläche gelangen. Tief einatmen und Luft in die Lungen lassen. Dann wieder ausatmen. Auf den Grund sinken. Sich wieder abstoßen. Ein tollkühnes Manöver, das ihm, so unwahrscheinlich es sich in der Nachschau auch anhören mochte, tatsächlich mit knapper Not das Leben rettete. Die ernüchternde Erkenntnis folgte freilich auf dem Fuß: die Verbündeten waren in wilder Panik längst auf und davon gejagt – direkt in die Hände der Preußen! Und um nicht selbst in Gefangenschaft zu geraten, blieb Ferdinand nur eine Möglichkeit: dieselbe Strecke wieder zurück zu schwimmen. Ein gewaltiges Risiko für Leib und Leben. Aber auch dieses Manöver konnte er noch zu einem guten Ende bringen. Die Nachricht vom tollkühnen Husarenstreich des Hauptmanns Zeppelin machte rasch die Runde unter den Soldaten – und selbst wenn der Ausgang des Krieges längst besiegelt schien, so diente sein mutiges Beispiel immerhin dazu, die Moral der Männer wenigstens nicht gänzlich sinken zu lassen. Zumal dem ersten noch ein zweites Kabinettstück folgen sollte.
    Es war zehn Tage später, am 24. Juli 1866, während der Schlacht bei Tauberbischofsheim:
    Kurz vor Beginn der entscheidenden Kampfhandlungen entdeckten die Preußen in den gegenüberliegenden Weinbergen einen württembergischen Offizier, der sich – offenbar nach einem Erkundungsritt – auf dem Weg zurück zu seiner Einheit befand. Der Mann – allem Anschein nach ein Hauptmann – befand sich in Schussdistanz. Unverzüglich gab der preußische Oberst seinen Leuten den Feuerbefehl, doch so knapp die Kugeln an dem gegnerischen Offizier auch vorüber fegten, der Mann blieb ruhig auf seinem Pferd sitzen und zeigte nicht die geringsten Anzeichen von Panik. Was für eine Nervenstärke! Einen solchen tapferen Soldaten durfte man doch nicht einfach abknallen! »Feuer einstellen!« kommandierte der Preuße und tippte sich respektvoll an den Hut. Was für ein mutiger Mann! Lange nach Kriegsende sollten sich die beiden Männer wieder begegnen – der Name des württembergischen Offiziers lautete Ferdinand Graf Zeppelin!
    Womöglich hatte es sich bei dem kühnen Mutbeweis in Wirklichkeit jedoch eher um den Mut der Verzweiflung gehandelt, denn nach wie vor litt Ferdinand gewaltig unter seiner verschmähten Liebe zu der Cousine, die sein Werben vor einem Jahr so brüsk zurückgewiesen hatte. Kurz vor Beginn der Kampfhandlungen, in deren Verlauf man als Soldat immer damit rechnen musste, sein Leben zu verlieren, hatte er sich den ganzen Kummer in einem letzten verzweifelten Brief von der Seele geschrieben. Dieser Brief war an seine Cousine adressiert und sollte ihr erst nach Ferdinands Tod auf dem Schlachtfeld überbracht werden. »Meine Teure!
    Ich habe Dein Bild mit mir in mein Soldatengrab genommen. Es ist der Schmerz meines Lebens gewesen, dass ich Dich nicht besitzen durfte. Möchte Dir diese Versicherung den Glauben stärken an die hohen und liebenswürdigen Eigenschaften, mit denen Dich der Schöpfer so reich ausgestattet hat; möchte sie Dir Vertrauen erwecken zur Treue in der Liebe und Hingebung der Männer. Meine letzte Bitte an Dich ist, wenn ein Anderer kommen sollte, um Dein Herz zu werben, weise ihn nicht ungeprüft von Dir; Dein Prüfen sei ernst und gewissenhaft (wie könnte es bei Dir anders sein), aber lasse dabei der Stimme des reinen weiblichen Herzens ihre Berechtigung! Verzeihe vorstehende Lehre dem Toten, der Dich um ein liebevolles Andenken bittet.«
    Er faltete das Schreiben sorgfältig zusammen und verschloss es mit seinem Siegel, dann steckte er es in seinen Tornister. Nach seinem Tod würden die Kameraden den Brief dort finden und an die geliebte Cousine weiterleiten. Der letzte Gruß eines verschmähten Liebenden, dessen Seelenqualen nun durch den Tod ihr Ende gefunden hätten.
    Doch selbst dieser überragende Mutbeweis des jungen Grafen, mit dem er sich die Hochachtung des Gegners erworben hatte, konnte den weiteren Kriegsverlauf natürlich in keinerlei Weise beeinflussen. Die Dinge hatten längst ihren unabänderlichen Lauf genommen, auch in der Gegend um Tauberbischofsheim, wo die württembergische Armee von den Preußen in geradezu demütigender Überlegenheit geschlagen wurde. Am Ende hatte Preußen damit freilich nicht nur dieses Gefecht gewonnen, sondern den gesamten Krieg. Am 1. August 1866 sah sich König Karl gezwungen, den von Preußen diktierten Waffenstillstand zu unterzeichnen. Es war das Ende des Deutschen Bundes. Preußen war am Ziel und

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