Ferdinand Graf Zeppelin
gibst, Ferdi.« Auch wenn sie sich an diesem Morgen doch eigentlich wieder fest vorgenommen hatte, einen solchen Satz keinesfalls zu formulieren: er war ihr einfach aus dem Mund gesprudelt. Vor lauter Sorge um das Wohlergehen ihres geliebten Mannes hatte Isabella es nicht geschafft, ihm die tapfere Offiziersfrau vorzugaukeln, die in Pflichtgefühl unerschütterlich an seiner Seite stand.
»Ach, meine liebste Bella. Das versteht sich doch von selbst! Wenn du für mich betest und immer fest auf meine glückliche Heimkehr vertraust, dann wird es unser Herrgott schon richten. Adieu, geliebte Bella!« Er drückte ihr einen letzten innigen Kuss auf die Wange, dann straffte er seinen Rücken, wandte sich um und bestieg den für die Offiziere reservierten Waggon des Militärzuges, der sich bald darauf ruckelnd in Bewegung setzte, verfolgt von den tränennassen Augen vieler hundert Ehefrauen. Nicht alle von ihnen würden ihre Männer wiedersehen.
Es war schon eine eigentümliche Ironie der Geschichte, die sich der Hauptmann der württembergischen Kavallerie Ferdinand von Zeppelin vor Augen hielt, während sich der Zug unaufhaltsam seinem Bestimmungsort, dem Rhein bei Karlsruhe näherte, wo man unter dem Kommando des badischen Generalstabs die erste Frontlinie aufbauen würde. Ausgerechnet gegen seinen früher doch so sehr bewunderten »Onkel Louis« zog er nun in den Kampf, Louis aus Arenenberg, den jetzigen Kaiser der Franzosen, der ihn überdies als blutjungen Offizier in seinem Schloss so überaus zuvorkommend empfangen hatte… Doch solche Sentimentalitäten durften keine Rolle mehr spielen. Nun ging es um das große Ganze. Um Württemberg und um Deutschland. Gegen die Franzosen. Und das alles unter dem Oberkommando der Preußen, dem ehemaligen Gegner, gegen den er vor exakt vier Jahren in den Krieg gezogen war. So schnell konnten sich in der großen Politik die Gegebenheiten ändern – mitsamt den Frontlinien.
Bereits am Tag nach seinem Eintreffen erhielt Zeppelin vom badischen Generalstabschef die Order, einen Aufklärungsritt hinter die feindlichen Linien zu unternehmen, um sich einen wichtigen Eindruck vom taktischen Vorgehen des Gegners verschaffen zu können. Am 24. Juli, einem Sonntag, um 7 Uhr morgens ritt die Patrouille vom linksrheinischen Hagenbach aus ab und hielt in Richtung Süden auf Lauterburg zu, da man von dort am ehesten einen Angriff der Franzosen vermutete. Zu Zeppelins großem Verdruss hatte man seinen Spähtrupp mit elf Leuten ausgestattet (vier Offiziere und sieben Dragoner), obwohl er sich tags zuvor ausdrücklich nur einen Offizier und drei Soldaten ausbedungen hatte. Gute Pferde seien ihm wichtiger, als viele Begleiter, hatte er argumentiert – und wurde mit seinen Wünschen von den Badenern nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Pferde, einfach übergangen.
Immerhin: Zunächst verlief alles nach Plan. Unvermittelt waren sie vor der völlig verdutzten Brückenwache am Grenzfluss Lauter aufgetaucht und hatten den Posten einfach überritten, Im gestreckten Galopp jagten sie nun nach Lauterburg hinein, wo sich ein Großteil der Menschen gerade beim Gottesdienst befand. In einer Blitzaktion zerstörten Zeppelin und seine Männer den Telegraphen der kleinen Stadt und schnitten sicherheitshalber auch noch die Drähte durch. Damit war, zumindest für eine gewisse Zeit, verhindert, dass eventuelle Meldungen über eine deutsche Aufklärungspatrouille im Elsass zur französischen Armee durchdringen konnten. Keiner der Einwohner setzte sich gegen den Überfall zur Wehr, alles blieb friedlich. Selbst die beiden örtlichen Gendarmen wagten es nicht, einzugreifen. Die grimmigen Mienen der Feinde und die Entschlossenheit, mit der sie vorgingen, ließen es ihnen ratsam erscheinen, den Dingen besser ihren Lauf zu lassen. Und kurz darauf war der Spuk ja auch schon wieder vorbei.
Es mochte keine Viertelstunde verstrichen sein, als der deutsche Offizier und seine Männer ihren tollkühnen Plan bereits ausgeführt hatten und schon wieder auf ihren Pferden saßen. »Los geht’s! Mir nach!« Energisch drückte Zeppelin seinem Tier die Sporen in die Weichen und galoppierte los. In zügigem Tempo durchmaßen sie das Gebiet zwischen dem Flüsschen Lauter und dem Hagenauer Forst, wo sie tatsächlich erste Kavalleriebewegungen der Franzosen ausmachen konnten. Eine aufschlussreiche Beobachtung, genauso wie die Erkenntnis, dass vom Gegner anscheinend planmäßig Gendarmen, die von ein bis zwei
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