Ferdinand Graf Zeppelin
ließ Bella erschaudern. Schlagartig wurde ihr bewusst, weshalb der Ferdi heute morgen am Frühstückstisch, ja eigentlich schon seit dem gestrigen Abend, so merkwürdig still und in sich gekehrt gewesen war. Es hing also doch mit der Depesche zusammen, die ihm gestern ein Bote überbracht hatte. Sie würde jetzt ganz tapfer sein müssen und sich keine Schwäche anmerken lassen. Schließlich war sie die Frau eines Offiziers. Dennoch konnte sie ein leichtes Zittern ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Ich kann es mir schon denken. Es ist also so weit. Nicht wahr, Ferdi?«
»Ja, es ist so weit«, nickte er langsam. »König Wilhelm von Preußen wird noch am heutigen Freitag die Mobilmachung für den Norddeutschen Bund erklären, und auch unserem König Karl wird aus diesem Grund nichts anderes übrig bleiben, als dasselbe zu tun und gleichzeitig die württembergischen Truppen unter den Oberbefehl der Preußen zu stellen. Genauso wie die Bayern und die Badener. Jetzt, wo es gegen Frankreich geht, müssen alle vorherigen Aversionen vergessen sein. Wir Deutschen müssen nun alle zusammen halten.«
»Aber besteht nicht doch noch wenigstens ein kleines Fünkchen Hoffnung, dass es nicht zum Krieg kommen wird? Es handelt sich ja schließlich erst um die Mobilmachung. Vielleicht lässt sich Kaiser Napoleon III. allein durch dieses Zeichen so sehr beeindrucken, dass er es nicht zum Äußersten kommen lassen wird …«
Um Ferdinands Mundwinkel spielte ein verständnisvolles Lächeln. »Ach, liebste Bella. Das denkst du dir so schön aus … Die Wirklichkeit ist jedoch eine ganz andere. Der preußische Ministerpräsident Bismarck hat den Kaiser der Franzosen über Monate hinweg durch seine diplomatischen Schachzüge so sehr in die Enge getrieben, dass Napoleon III. gar nichts anderes übrig bleibt, als auf diese gezielten Provokationen hin Preußen den Krieg zu erklären. Ganz Frankreich fordert das mittlerweile von ihm. Dazu wähnen sich die Franzosen ohnehin in der Rolle des Überlegenen. Sie halten ihre Armee für unschlagbar. Nun denn: sie werden ihr blaues Wunder erleben, denn mit der Einigkeit aller Deutschen Länder dürften sie nicht gerechnet haben.«
»Du meine Güte!« entfuhr Bella nun doch ein besorgter Ausruf. »Dann musst du also in den Krieg ziehen und dich in Lebensgefahr begeben! Mein armer Männi! Was soll ich nur machen, wenn dir etwas zustösst?!«
»Es wird schon alles gut gehen. Schließlich bin ich ja, wie du weißt, auch ein guter Reiter«, versuchte er, die Sorgen seiner Ehefrau zu dämpfen. »Mir wird so schnell kein Franzose hinterher kommen«. Nur anderthalb Wochen später sollte sich seine Prophezeiung tatsächlich bewahrheiten …
»Aber nun komm. Wir sollten jetzt deine Eltern von der neuen Entwicklung in Kenntnis setzen und dann müssen wir nach Stuttgart aufbrechen. Ich denke nämlich, dass ich bereits morgen den Befehl zum Einrücken bekommen werde.«
In Stuttgart herrschte am späten Sonntagnachmittag eine angespannte Stimmung. Es gab kein anderes Thema mehr in der Stadt, als die Mobilmachung und den wahrscheinlich gewordenen Krieg. Überall auf den Straßen sahen sie Soldaten, die sich eilig in die Kasernen begaben. Selbst Bella, die trotz aller stichhaltigen Argumente ihres Mannes bis zu ihrer Ankunft in der württembergischen Hauptstadt immer noch gehofft hatte, eine militärische Konfrontation würde sich in letzter Minute doch noch vermeiden lassen, musste sich angesichts dieser Beobachtungen eingestehen, dass diese Hoffnung vergeblich gewesen war. Die Maschinerie des Krieges war bereits ins Laufen gekommen und würde sich nicht mehr stoppen lassen.
Vier Tage später erklärte Kaiser Napoleon III. Preußen den Krieg – und damit ganz Deutschland, denn sämtliche deutschen Bundesstaaten hatten sich tatsächlich unter den Oberbefehl des Königs Wilhelm und seines Generalstabs gestellt. Dieser Krieg sollte später als der »Deutsch – Französische Krieg« in die Geschichte eingehen.
Früh um 6 Uhr am Morgen des 22. Juli 1870 hieß es für Bella und Ferdinand, auf dem Stuttgarter Güterbahnhof Abschied voneinander zu nehmen. Abschied auf unbestimmte Zeit. »Denn wie lange dieser Krieg dauern wird, das weiß niemand zu sagen. Ich hoffe, nicht allzu lange. Aber die Stärke der Franzosen ist nicht zu unterschätzen. Ich für meinen Teil werde jedenfalls alles daran setzen, dass er so früh wie möglich zu Ende ist.«
»Es wäre mir lieber, du würdest sagen, das du auf dich Acht
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