Ferdinand Graf Zeppelin
verlassen können«, pflichtete Dürr dem Grafen bei. »Denn wenn uns ein Experte, wie der Herr von Bassus nach einer eingehenden Prüfung bestätigt, dass die Qualität des Gases in Ordnung ist und uns den notwendigen Auftrieb verschaffen kann, dann denke ich, können wir das Wagnis, das damit ja keines mehr ist, getrost eingehen.«
»Es ist in der Tat eine haarscharfe Kalkulation. Wenngleich wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass schon die kleinste Ungenauigkeit genügt – und alles ist aus. Aber wie gesagt: auf die beiden Herren und ihre Analysen kann man sich hundertprozentig verlassen, genauso wie auf unsere Berechnungen.«
»Hoffentlich …« kommentierte Dürr trocken und erntete damit einen erstaunten Blick seines Arbeitgebers. »Sicher ist sicher. Ich werde mich heute Abend jedenfalls noch einmal daran setzen. Nicht, dass wir womöglich doch noch etwas übersehen haben …«
»Jetzt übertreiben Sie bloß nicht, Dürr«, lächelte Zeppelin und musterte seinen engsten Mitarbeiter mit einem amüsierten Blick. »Ich weiß Ihr Pflichtbewusstsein ja wirklich zu schätzen, aber wie sagt unser lieber Bassus in seiner unnachahmlich trockenen bayrischen Art immer so zutreffend: wir sollten die Kirche im Dorf lassen!«
Dem aus München stammenden Konrad von Bassus, einem langjährigen Freund der Familie Zeppelin – schon ihre Eltern waren miteinander befreundet gewesen – vertraute Zeppelin hundertprozentig. Und dies aus gutem Grund, denn der Ruf, den der junge Freiherr genoss, war durchaus respektabel. Während seines Studiums in München hatte er sich schon frühzeitig auf Forschungen im Bereich der Atmosphäre, Luftwiderstand und Gasen konzentriert und galt seitdem trotz seiner erst 26 Lebensjahre als Spezialist in dieser noch jungen Disziplin. Dazu verfügte er dank zahlreicher Aufstiege mit Gasballonen auch über beste Kenntnisse auf dem Gebiet der Navigation. Dank der engagierten Mitarbeit eines Konrad von Bassus, der vor einigen Monaten nach einer vorsichtigen Anfrage Zeppelins ohne lange zu fackeln und mit größter Begeisterung zu der Konstrukteursrunde in Manzell gestoßen war, durften sie sich also auch in diesen Fragen auf der sicheren Seite wähnen.
Und dass ihnen in Gestalt des Meteorologen Professor Dr. Hugo Emil Hergesell ein ausgewiesener Fachmann mit nicht minder großer Leidenschaft sozusagen Tag und Nacht zur Verfügung stand, beförderte natürlich diese vertrauensvolle Zuversicht noch weiter, mit der sie dem ersten Aufstieg ihres Luftschiffs entgegenfieberten. Professor Hergesell fungierte nicht nur als angesehener Inhaber des Lehrstuhls für Meteorologie an der Universität Straßburg, sondern galt als Pionier bei der wissenschaftlichen Erforschung der Atmosphäre mit Hilfe von Ballonen. Darüber hinaus pflegte er schon seit Jahren einen freundschaftlichen Kontakt mit Ferdinand von Zeppelin und betrachtete es deshalb schlichtweg als Ehrensache, dem Grafen bei der Verwirklichung von dessen Lebenstraum nun hilfreich zur Seite stehen zu dürfen. In den zurückliegenden Wochen hatte Hergesell bereits umfangreiche Versuche mit Wetterdrachen unternommen, die er in den Himmel über dem Bodensee steigen ließ. Daraus gewannen sie wichtige Erkenntnisse über die speziellen meteorologischen Bedingungen hier am See, die sich schon aufgrund der nahen Alpen wesentlich von denen über anderen Binnengewässern unterschieden. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Berechnung von Auftrieb und Gegenwind, den sie dank Hergesell nun also ebenfalls sicher beherrschten. Was sollte jetzt noch schief gehen? »Sämtliche Fachleute, die ich konsultiert habe, bestätigen mir die Machbarkeit unseres Vorhabens. Das Material hat allen Überprüfungen standgehalten: die Gaszellen sind dicht, die Ventile funktionieren einwandfrei, die Aluminiumträger von bester Qualität – und unsere Arbeiter haben jede einzelne Verschraubung inzwischen doppelt und dreifach überprüft. Wir können jetzt also an die direkte Vorbereitung des Aufstiegs gehen!« Kaum hatte er seinen Satz beendet, spürte Ferdinand von Zeppelin, wie sein Herz heftig klopfte. Es war die Vorfreude auf das unmittelbar bevorstehende Ereignis. Doch so schön dieses Gefühl auch sein mochte, so sehr musste er darauf bedacht sein, dass ihn die Euphorie nicht zu leichtsinnigen Handlungen verführte. Alles, nur das nicht!
Zum guten Glück gab es in seinem nächsten Umfeld dafür ja den grundsätzlich skeptisch veranlagten Ludwig Dürr, der mit
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