Ferien Auf Saltkrokan
ein Leben – und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Heulen und Zähneklappern gewesen, dachte Melcher. Nun aber kam der Abend mit Frieden und Klarheit, und Melcher hatte sich alle seine Dummheiten verziehen. Das Leben war doch eine schlau erdachte Einrichtung mit seiner ständigen Abwechslung, im einen Augenblick Heulen und Zähneklappern, im nächsten die rosigste Freude und allerlei Köstlichkeiten, dachte Melcher, wie frisch geräucherter Bückling, Butter und neue Kartoffeln.
Sie saßen vor Nisses Räucherei auf den Ufersteinen, und die Sonne ging draußen im Fjord unter mit roten Wangen von der sommerlichen Wärme. Nisse reichte ihnen Bücklinge, goldbraune, duftende Bücklinge, soviel sie essen konnten. Märta stiftete Butter und Kartoffeln und selbstgebackenes Graubrot, und Melcher hielt eine Rede. Es war ein Lobgesang auf die Freundschaft und auf den Bückling, denn er merkte, wie sich die dankbaren Gefühle in seiner Brust stauten. Und ob das Leben schön war! Man stelle sich nur vor, wie viel von dieser Schönheit in einem einzigen Sommertag enthalten sein konnte!
»Ja, meine Freunde«, sagte Melcher, »es ist genauso, wie ich immer sage: dieser Tag ein Leben!«
»Und dann auch noch so ein tolles Leben!« sagte Pelle.
Ein kleines Tier für Pell e
Melcher liebte seine Kinder stürmisch, und hin und wieder dachte er über sie nach. Zwar war er Schriftsteller, und wenn man ihn fragte, was ihn im Augenblick beschäftigte, antwortete er: »Melcher ist nur mit Melcher beschäftigt!« Das stimmte aber nicht so ganz. Manchmal dachte er auch über seine Kinder nach, und es war ihm unbegreiflich, wie gerade er vier so prachtvolle Sprößlinge hatte bekommen können. Und so verschieden. Nicht nur, daß Malin und Johann blond waren und die beiden anderen braun, nein, sie waren auch durch und durch verschieden.
Zuerst Malin, sein Trost und sein Heil – wie konnte sie so klug werden, da sie so hübsch war? Hübsche Mädchen waren im allgemeinen von ihrem eigenen Hübschsein in Anspruch genommen, sie hatten gewissermaßen gar keine Zeit, klug zu werden. Malin war anders. Zwar wußte er nicht allzuviel von den Gedanken, die sich hinter ihrer glatten Stirn regten, aber er wußte, dahinter lagen Klugheit und Wärme und gesunde Vernunft. Und außerdem war sie voller Anmut, ohne sich dessen bewußt zu sein, wie eine Blume, jedenfalls schien es so.
Und dann Johann, der gescheiteste von den Kindern, der am meisten Phantasie hatte und am zappeligsten war. Er würde es einmal nicht leicht haben, denn er schlug seinem Vater nach, das arme Kind! Niklas dagegen war ausgeglichen und sicher und lebenstüchtig von dem Tag an, als er auf die Welt kam, der fröhlichste und handfesteste von der ganzen Familie Melcherson. Niklas würde leicht durchs Leben kommen, das wußte Melcher.
Aber dann war da Pelle, wie sollte es ihm ergehen? Wie würde das Leben werden für einen, der anfing zu weinen, weil er in der Straßenbahn Leute sah, die ein trauriges Gesicht machten, oder weil er einer Katze begegnet war, die aussah, als wäre sie obdachlos. Diese stete Sorge, daß ein Mensch oder eine Katze oder ein Hund oder eine Wespe nicht glücklich genug sein könnte, wie sollte er die auf die Dauer aushalten? Und all das andere Wunderliche, über das er nachgrübelte! Weshalb es in den Telegraphendrähten summte, so daß man am liebsten weinen möchte, wenn man es hörte, und warum die Bäume rauschten, als ob sie über irgend etwas klagten, und wie es kam, daß das Meer so dumpf brauste, ob es wohl wegen all der toten Seeleute sei, fragte Pelle mit Tränen in den Augen. Er konnte aber auch auf seine eigene wunderliche Weise heiter sein. Es gab allerlei, was ihn glücklich machte: allein im Bootshaus zu sitzen, wenn es regnete, und zu hören, wie es auf das Dach trommelte, oder oben auf dem Hausboden in einer Ecke zu kauern, wenn es stürmte, am liebsten in der Dämmerung, und dazusitzen und das ganze Haus ächzen zu hören. Niklas versuchte, aus ihm herauszubekommen, wieso er solche sonderbaren Dinge so gern mochte, aber Pelle sagte nur: »Wenn du es nicht von selbst verstehst, dann hat es keinen Sinn, daß ich es dir erkläre.« Außerdem war er Forscher, und für so einen gab es viel zu tun. Auf dem Bauch im Gras liegen und beobachten, was das kleine Getier trieb. Auf dem Bootssteg auf dem Bauch liegen und die wundersame grüne Welt ergründen, in der die kleinen Stichlinge ihr kleines Stichlingsdasein führten. An dunklen
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