Ferien Auf Saltkrokan
fühlte sich genauso düster, wie Bootsmann aussah. Alles hatte immer ein Ende, Sahnetorten und Sommer und vielleicht das ganze Leben, was wußte er! Aber ein kleines Stück Sahnetorte war merkwürdigerweise übriggeblieben, und als das Festmahl vorüber war, stand die Tortenplatte zur Freude aller Wespen noch immer an der Giebelseite auf dem Gartentisch.
Glückliche Wespen, die dürfen im Schreinerhaus bleiben, denn kleine Wespenkinder brauchen nicht in die Stadt zu reisen und in die Schule zu gehen, was haben die es gut, dachte Pelle.
Sie wurden indessen um das Stück Torte gebracht. Tjorven hatte es bemerkt, und sie verscheuchte die Wespen. Drei Stück Torte hatte sie vorher schon verputzt, dieses hier aber sah besser aus als irgendein anderes mit seiner kleinen hellrosa Marzipanrose obendrauf, und Tjorven wollte es haben. Sie sah sich nach Malin um, denn sie war es nicht gewohnt, Sachen ohne Erlaubnis zu nehmen. Aber Malin war mit Björn verschwunden, und Herr Melcher war ebenfalls nirgendwo zu sehen. Es war ganz einfach keiner da, den sie fragen konnte, und jeden Augenblick konnte jemand anders kommen und das Stück Torte entdecken, jemand, der es vielleicht auch haben wollte. Daher war es eilig. Und daher faltete Tjorven die Hände und betete:
»Lieber Gott, darf ich das Stück Torte nehmen?«
Und sie antwortete sich selbst mit der tiefsten Baßstimme, die sie zustande bringen konnte: »Ja, gewiß darfst du das.«
Und dann war die Torte zu Ende. Das Mahl war zu Ende. Der Sommer war zu Ende – oder nicht?
Nein, der Sommer war noch nicht zu Ende, nur weil Melchersons die Insel verließen. Es kamen warme Septembertage mit Hummelgesumm und Schmetterlingsflattern, es kamen Oktobertage, so still und klar wie Kristall, die Bootsschuppen am Anlegesteg spiegelten sich klar im Wasser, daß man kaum wußte, was Spiegelbild war und was Wirklichkeit. Tjorven aber wußte es, und sie erklärte es Bootsmann.
»Was da auf dem Kopf steht, das sind auch Bootsschuppen, allerdings nur für Meerjungfrauen, verstehst du. Sie schwimmen rein und raus und spielen den ganzen Tag.«
Und in den Bootsschuppen, die nicht auf dem Kopf standen, spielte Tjorven mit Bootsmann Versteck. Ohne ihn wäre sie ziemlich verlassen gewesen, Teddy und Freddy waren jetzt jeden Tag in der Schule und Pelle und Stina weit weg in einem fernen Stockholm, in das sie selbst noch nie ihren Fuß gesetzt hatte und von dem sie nichts wußte. Aber sie hatte Bootsmann, und außerdem füllte sie ihre Tage mit den seltsamen und wunderbaren Spielen des Einzelkindes aus. Sie entbehrte nichts.
Und langsam senkte sich das herbstliche Dunkel auf Saltkrokan und die Menschen, die dort lebten. Abends leuchtete es spärlich aus den Fenstern, kleine, einsame Lichter in all dem Kohlschwarz. Hier draußen auf den Inseln wohnten so wenige Menschen, und wenn die Dunkelheit kam und die Herbststürme um ihre Häuser heulten und das Meer wie irrsinnig an ihren Stegen und Bootsschuppen rüttelte, da gab es wohl diesen oder jenen unter ihnen, der sich fragte, weshalb man hier am weitesten draußen im Meer lebte, aber sie wußten, gerade hier wollten sie leben und nirgendwo anders.
Der Dampfer aus der Hauptstadt kam jetzt einmal in der Woche. Er hatte keine Sommergäste an Bord, überhaupt keinen Menschen außer der Besatzung, aber Nisse Grankvist bekam seine Waren und stand getreulich auf dem Anleger, um sie in Empfang zu nehmen. Und Tjorven stand ebenfalls bei jedem Wetter da mit Bootsmann neben sich, obwohl es manchmal kohlrabenschwarze Nacht war, wenn das Schiff endlich kam, und obwohl kein Pelle mitkam.
Aber Pelle schrieb Briefe, denn er ging jetzt in die Schule in der Stadt und konnte in Blockbuchstaben schreiben. Er schrieb nicht an Tjorven, sondern an Jocke. Allerdings war es Tjorven, die zu Jocke in Janssons Stall gehen mußte und ihm berichtete, was da stand, nachdem Freddy es ihr vorgelesen hatte.
»JOCKELCHEN«, schrieb Pelle, »HALT AUS, HALT AUS, ICH KOME BALT.«
Als Tjorven eines Morgens erwachte, lag Eis auf allen Pfützen, in denen sie am Tage vorher herumgeplatscht war, und sie hatte lange Zeit ihren Spaß daran, das Eis mit ihren Stiefeln zu zersplittern. Aber am nächsten Tag war noch mehr Eis da, es wurde immer kälter, und eines Nachts fror der Fjord zu. »Noch nie haben wir so früh Eis gehabt«, sagte Märta.
Die Eisbrecher mußten eine Fahrrinne aufbrechen, damit der Dampfer durchkommen konnte, und dennoch dauerte es zehn Stunden, ehe er sich durch
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