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Ferien Auf Saltkrokan

Ferien Auf Saltkrokan

Titel: Ferien Auf Saltkrokan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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einzigen Busch gab, hinter den man kriechen konnte.
    Aber als Frau Vesterman nicht herausgestürzt kam, begannen sie wieder Mut zu fassen. Hier unterm Fenster konnte sie sie nicht sehen, falls sie sich nicht direkt hinauslehnte und auf sie heruntersah. Sie hofften von ganzem Herzen, daß sie das nicht tun möge. Wenn nämlich Frau Vesterman anfinge, Krach zu schlagen, dann kriegte man sie mit ein paar Rindsknochen nicht zum Schweigen, das wußten sie. Sie trauten sich nicht, sich zu rühren, nicht zu flüstern, kaum zu atmen. Sie konnten nur stilliegen und lauschen. Und sie hörten, wie Frau Vesterman sich dort drinnen bewegte. Das Fenster stand offen, sie war ihnen so nahe, daß sie die Hand über das Fenstersims strecken und guten Tag sagen konnten, wenn sie wollten. Sie murmelte, und mit einemmal fing sie an zu lesen. Ja, wahrhaftig, fing sie nicht an, sich selbst laut etwas vorzulesen? Tjorven stöhnte ganz leise. Es wäre ja noch gegangen, wenn sie etwas aus der Norrtäljer Zeitung oder so gelesen hätte, aber hier zusammengekrümmt zu liegen wie eine Garnele und sich Dinge anhören zu müssen, von denen man nicht das geringste verstand, das war zuviel.
    Pelle verstand es auch nicht, aber ihm schien so, als wäre es etwas aus der Bibel. Sie hatte eine eintönige Stimme, aber sie las ohne Stocken. Pelle horchte. Mit einemmal kamen einige Worte, die aus dem Unerklärlichen heraustraten und zu schimmern begannen, wie Worte manchmal für ihn schimmern konnten. Oh, wie klang es schön!
    »Nähme ich Flügel der Morgenröte, machte ich mir eine Wohnung zuäußerst im Meer …«* [ Psalm 139,9. Der Luthertext lautet: »Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer …« Da im folgenden immer wieder Bezug auf die schwedische Bibelübersetzung genommen wird, mußte diese wörtlich übernommen werden. D. Übers. ] las Frau Vesterman, und dann seufzte sie einmal auf, ehe sie weiterlas.
    Aus der Fortsetzung machte sich Pelle nichts. Es waren nur diese Worte, die durfte er nicht vergessen! Er murmelte sie leise vor sich hin. »Nähme ich Flügel der Morgenröte, machte ich mir eine Wohnung zuäußerst im Meer …« Wie zum Beispiel das Schreinerhaus. Das lag auf der Insel zuäußerst im Meer. Hier wollte man sein. Hierher konnte man sich sehnen, wenn man daheim in der Stadt war. Wenn man dann Flügel der Morgenröte hätte und hierherfliegen könnte über alle Fjorde und Gewässer, oh, wie schön wäre das! Zu meiner Wohnung zuäußerst im Meer – ins Schreinerhaus.
    Pelle war ganz in seine Gedanken vertieft, er lag da und murmelte und merkte nicht, daß Frau Vesterman verstummt war, bis Tjorven ihn knuffte. Was würde jetzt geschehen? Jetzt löschte sie die Lampe, und dort drinnen wurde es dunkel. Und plötzlich hörte Pelle jemanden genau über seinem Kopfe schwer atmen. Er wagte nicht hochzugucken, aber ihm war klar, daß Frau Vesterman am offenen Fenster stand, und es war entsetzlich, hier zusammengekrümmt zu liegen und nur zu horchen und zu warten. Jetzt – jetzt würde sie sie entdecken, dessen war er sicher! Als er aber gerade merkte, daß er es keine Sekunde länger aushalten konnte, schlug das Fenster mit einem Knall zu, so daß sie beide, er und Tjorven, zusammenzuckten, und dann war es still. Sie blieben noch eine Weile so zusammengekauert liegen und horchten auf das Klopfen ihrer eigenen Herzen, dann rannten sie schnell und gebückt um die Hausecke und zum Bootsschuppen hinunter.
    »Moses, bist du da?« flüsterte Tjorven.
    Und es war kein Zweifel, Moses war da, denn er begann zu schreien. Und Tjorven öffnete die Tür.
    Ein Schauder überlief Stina, als sie ihr am nächsten Tag alles erzählten. Wie Moses geschrien hatte, wie sie sich mit ihm abgeschleppt hatten und wie Vesterman im Hemd herausgekommen war und hinter ihnen her geflucht hatte, als sie gerade durchs Hoftor hatten gehen wollen, wie Cora gebellt hatte und wie sie Moses endlich ins Wägelchen gehoben hatten und wie sie mit ihm nach Hause zum Schreinerhaus gerast waren, während Vesterman im offenen Hoftor gestanden und gedroht hatte:
    »Na warte, Tjorven, wenn ich dich zu fassen kriege!«
    »Gut, daß ich nicht mit dabei war«, sagte Stina. »Ich wäre auf der Stelle tot umgefallen.«
    Moses hatte in dieser Nacht neben Pelles Bett geschlafen. Johann und Niklas waren verdutzt, aber durchaus nicht unzufrieden, als sie morgens erwachten und ihren neuen Stubengefährten erblickten.
    »Ich muß ihn ja hierhaben, sonst kommt

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