Ferien mit Mama und andere Katastrophen
einen der leeren Colakästen gelegt, damit sie unterwegs nicht entzweiging. Als einer der Polizisten sie jetzt auspackte, stieß er einen Triumpfschrei aus, worauf die anderen gleich zu ihm rannten. Siegesgewiss hielt er mit beiden Händen die Vase hoch.
Was dann folgte, kann man nur als griechischen Albtraum bezeichnen. Man teilte unsere Gruppe auf und sperrte uns in verschiedene Zellen neben der Wachstube. Verwandtschaften wurden nicht berücksichtigt, sodass ich mit dem Kunstlehrer aus Düsseldorf zusammenkam. Stöhnend hockte ich mich auf die einzige Pritsche der Zelle und überlegte. Mama hatte das Ding doch bezahlt. Ich konnte mich noch deutlich daran erinnern, wie die Verkäuferin den Kopf zurückgeworfen hatte, als Mama auf die Vase im LKW zeigte.
Doch da fiel mir plötzlich wieder ein, was Kubasch uns gleich am ersten Tag hier eingeschärft hatte: »Nicken bedeutet hier Nein und Kopfschütteln Ja.« Keine Ahnung, wo Mama da ihre Ohren gehabt hatte. Ich wusste nicht, was für eine Vase dort drüben auf dem Schreibtisch stand, aber es war jedenfalls keine aus dem Souvenirladen.
Die Polizisten kochten sich erst mal eine Runde Kaffee. Und der Kunstlehrer, der offenbar ebenfalls eingesehen hatte, dass wir hier nicht so bald rauskommen würden, nahm nun mich ins Visier.
Irgendwie schien er die Blamage aus der Greco-Ausstellung noch nicht ganz verwunden zu haben, denn plötzlich schimpfte er los: »Wahrhaftigkeit, dass ich nicht lache. Du hast mit deiner Mutter einen Raub geplant. Das ist ja der absolute Gipfel der Unverschämtheit!«
Worauf mir nur einfiel, ihn daran zu erinnern, wie sehr er Mamas Geschmack bei der Auswahl der Vase gelobt hatte, und ihn zu fragen, warum ihm als Kenner der Kunst nicht aufgefallen sei, dass sie echt war? Darauf sagte er nichts mehr und hockte sich neben mich auf die schmale Pritsche. Es brachte ja nichts, wenn wir uns gegenseitig fertigmachten. Unsere Version der Geschichte zählte hier eh nicht.
Nach gefühlten fünf Stunden endlosen Wartens betrat plötzlich ein kleiner, untersetzter Grieche im Anzug die Wachstube. Aus den anderen Zellen hörte man zaghafte Bewegungen. Jeder war ängstlich gespannt, was nun geschah.
Der Dicke brachte sich seinen Kaffee wenigstens gleich mit. Wie sich herausstellte, war er der Oberrestaurator von Knossos. Als er die Vase auf dem Tisch erblickte, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Dann ließ er sich ächzend auf den Holzstuhl neben dem Schreibtisch fallen und trank erst mal seinen Kaffee.
Der Kunstlehrer wurde bald verrückt. »Aber uns lassen sie hier verdursten!«
Ich hörte Kubasch aus der Zelle neben mir rufen, wir sollten die Ruhe bewahren, denn nun verhörten sie uns einzeln.
Doch für die Polizisten war die Sache von vornherein sonnenklar. Mama hatte die Vase vom Lastwagen gestohlen, ich war ihre Komplizin, der Busfahrer, der sie anschließend mit Kubasch im Bus versteckt hatte, der örtliche Helfer und der Rest der Reisegruppe die raffinierte Tarnung. So die Version der Polizei.
Unsere einzige Chance war, dass unser Reiseleiter ihnen eine noch bessere Geschichte erzählte. Doch was für eine Geschichte sollte das sein, wenn es um eine gestohlene Vase aus der minoischen Zeit ging, die einen Wert von einer viertel Million Euro hatte? Das musste schon eine verdammt gute Geschichte sein.
Da Kubasch auf die Schnelle nichts einfiel und niemand unsere Version glaubte, verbrachte ich die erste Nacht meines Lebens in einer Gefängniszelle.
Nachdem die Polizisten gegangen waren und nur noch der Nachtwächter übrig geblieben war, wurde es still. Niemand sagte etwas. Was auch?
»Sophie, geht es dir gut?«, hörte ich Mama auf einmal vom Ende des Ganges rufen.
»Nee!«, heulte ich.
»Es … es tut mir so leid!«, stammelte sie. »Das hab ich doch nicht gewusst!«
Aber zum Leidtun war es jetzt zu spät. Trübsinnig hockte ich neben dem Kunstlehrer auf der winzigen Pritsche, auf der gerade mal einer richtig sitzen geschweige denn zwei schlafen konnten. Auf solche Massen an Verbrechern wie uns waren die hier wohl nicht eingerichtet.
Der zurückgelassene Wachpolizist hatte es sich inzwischen an seinem Schreibtisch gemütlich gemacht. Vielleicht konnten wir ja fliehen, überlegte ich. Aber spätestens am Flughafen würden sie uns wieder haben. Das ist eben der Nachteil einer Insel. Mir ging noch mehr Quatsch dieser Art durch den Kopf, doch als es draußen langsam dunkel wurde, bekam ich ein viel größeres Problem. Und das hatte mit
Weitere Kostenlose Bücher