Ferien mit Mama und andere Katastrophen
der Halle führten weitere Wege in die Dunkelheit hinein.
Bisher hatte sie sich tapfer gehalten, aber ich spürte, dass sie sich nicht mehr lange würde zusammenreißen können, denn sie begann schon leise vor sich hinzusummen wie damals, als ich mit ihr im Krankenhausfahrstuhl stecken geblieben war. Am Ende landete zuerst sie in der Notaufnahme und nicht ich mit meinem gebrochenen Arm.
Vielleicht sollte ich wenigstens Zadek einweihen. Ich ließ die anderen vorbei und wartete auf ihn, während Kubasch bereits mit den ersten Lehrern in einem der Seitengänge verschwand.
Zadek studierte aufmerksam die Höhlenwände. »Ist das nicht unglaublich, Sophie? Wir gehen inmitten erkalteter Lava spazieren!«
»Verrat das besser nicht meiner Mutter«, stöhnte ich.
»Wieso? In der Schlucht hat es ihr doch auch gefallen.«
Und da erzählte ich ihm von Mamas »Problem«, von dem aber niemand wissen durfte.
»Und das sagst du erst jetzt?« Zadek packte meine Hand und wollte mit mir losrennen. Da ich aber stehen blieb, riss er mir fast den Arm aus.
»Man darf nicht darüber sprechen!«, heulte ich. Hätte ich es bloß für mich behalten.
»Okay, okay«, sagte er. »Dann lass sie uns wenigstens im Auge behalten.«
Und so folgten wir rasch den anderen. In dem schmalen Seitengang war es allerdings nicht so komfortabel wie bisher. Nach ein paar Metern konnte man nur noch gebückt hintereinander gehen. Es wurde heiß und stickig.
»Hat sie das öfter?«, fragte Zadek.
»Nur, wo’s dunkel und eng ist.«
Als wir die anderen schließlich erreicht hatten, sahen wir Mama wie eine Klette an Kubaschs Arm hängen. Dem war inzwischen auch aufgegangen, dass mit ihr etwas nicht stimmte.
»Wolfgang«, fiepte sie. »Wie lange dauert es denn noch?«
»Nicht mehr lange«, versuchte er, sie zu beruhigen.
Doch Mama war nicht mehr zu beruhigen. Ihre Stimme hatte sich in ein dünnes Vogelpiepsen verwandelt. Gleich würde sie anfangen zu hyperventilieren.
»Mist«, hörte ich Zadek neben mir zischen. Er begann hektisch in seinem Rucksack zu kramen.
Inzwischen wurde auch Kubasch nervös. »Ich glaube«, sagte er, »wir nehmen heute eine Abkürzung, dann sind wir eher bei der Überraschung.«
Mama schaute ihn dankbar an und piepste: »Guhute Ihidee.«
Die anderen murrten, denn ihnen gefiel es in der Höhle, doch Kubasch war schließlich der Reiseleiter. Inzwischen schien Zadek endlich gefunden zu haben, wonach er suchte. Er drückte Mama einen alten, harten Keks in die Hand.
Die süße Ablenkung schien ihr gutzutun, dankbar knabberte sie daran herum. Der Weg wurde jetzt auch wieder etwas breiter, wir mussten nicht mehr gebückt gehen. Mama schien sich ein wenig zu entspannen und ich atmete auf.
Nach einer Weile begann sie neben Kubasch herzuhüpfen. Da hätte ich schon misstrauisch werden sollen. Die anderen dachten sich offenbar nichts. Sie funzelten nur wild mit ihren Taschenlampen herum, nachdem nun klar war, dass der Spaß nicht mehr lange dauern würde. Und Mama?
»Uhuuu-uhuuu!«, echote sie durch die Höhle.
Ich starrte Zadek entsetzt an, doch er grinste bloß. Was war denn plötzlich in sie gefahren? Doch wenn ich mehr auf den Weg geachtet hätte, wäre mir nicht entgangen, dass das Unglück plötzlich von einer ganz anderen Seite drohte. Kubasch starrte beim Gehen nämlich immer öfter hektisch auf einen kleinen Zettel.
Schließlich sagte er: »Ich glaube, wir müssen noch mal zurück.«
Mama nahm es gelassen. »Rück-Stück-Bück! Hier kommt die kleine Mück’!«
Na, wenigstens hatte sie ihre gute Laune wieder. Die Lehrer waren gerade dabei, ihre zu verlieren. Und ich auch. Denn als wir den anderen Weg genommen hatten, den garantiert richtigen, endete der nach zwanzig Metern vor einer steilen Wand. Auch der nächste Versuch scheiterte. Ende im Gelände. Und da musste selbst Kubasch eingestehen, dass wir uns verlaufen hatten.
Auch wenn es niemand aussprach, dachten in dem Moment sicher alle dasselbe. Die Abkürzung, die war unser Verhängnis. Da mussten wir vom richtigen Weg abgekommen sein. Wieder alles wegen Mama. Doch mit ihr war jetzt eh kein vernünftiges Wort mehr zu reden.
»Ach, Wölfi«, nuschelte sie. »Is doch nich schlimm. Musst du keine Angst haben.«
Mann, war das peinlich. So hatte ich sie noch nie erlebt. War sie betrunken oder was? Jedenfalls war ihr alles egal. Dafür wurde mir jetzt immer mulmiger. Vielleicht waren wir ja schon unter dem Meer, so steil, wie wir abwärtsgelaufen waren. Niemand konnte
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