Ferien mit Mama und andere Katastrophen
hoch.
Nun glaubte auch ich, dass Zadek langsam den Verstand verlor. Doch er ließ sich vom Gelächter seiner Kollegen nicht beeindrucken. Stattdessen sammelte er sein Zeug zusammen, steckte sich noch ein paar Teelichte in die Hosentasche und war dann fertig zum Abmarsch. Aber niemand folgte ihm.
»Mensch, Leute«, sagte er genervt. »Das ist doch ganz einfach. Die Höhle hat zwei Ausgänge. Also muss es von irgendwoher ziehen. Die Kerze wird es uns zeigen.«
»Und wenn wir abwärtsgehen, landen wir am Meer und aufwärts beim Eingang.«
Zadek strahlte mich an. »Genau, Sophie. Du hast es verstanden.«
Die anderen Lehrer verstanden aber nur Bahnhof. Misstrauisch starrten sie auf den leuchtenden Ziegenschädel. So verrückt die Idee auch war, ich fand sie einfach genial! Zadek ging ein paar Schritte und blieb dann stehen, bis die Flamme sich wieder beruhigt hatte. Nichts passierte. Er ging noch ein Stück bis zur nächsten Wegkreuzung, wartete einen Moment und plötzlich flackerte sie. Es funktionierte tatsächlich! Und da setzten sich auch die anderen in Bewegung.
»Nicht sprechen und ganz langsam!«, flüsterte Zadek.
Also folgten wir ihm in tiefem Schweigen. Zum Schluss gingen Mama und Kubasch, Arm in Arm. Jeder starrte auf die kleine Flamme und dachte sich wahrscheinlich so seinen Teil. Ich dachte an Nikos. Ob er heute Abend wohl wieder am Hotel auf mich wartete? Wenn wir bis dahin aus der Höhle herausgefunden hatten. Denn Zadeks Idee schien zwar zu funktionieren, aber sie war elendig langsam.
Ich bekam allmählich Hunger, außerdem waren aus unerfindlichen Gründen meine Füße auf einmal nass. Da ich mich am Morgen aber geweigert hatte, die schweren Wanderschuhe anzuziehen, konnte ich mich jetzt nicht beschweren. Missmutig stapfte ich mit meinen nassen Sandalen weiter.
Keine Ahnung, wie lange wir so hinter Zadek hergeschlichen waren, als Mama plötzlich lallte: »Hör mal, Wolfgang, da singt Hekate!«
»Ja, Ulrike, da singt Hekate.«
»Wir müssen mitsingen!«, nuschelte Mama. »Sonst issie böse.«
Unser Reiseleiter stand wahrscheinlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Nicht genug, dass er mit zwölf durchgeknallten Lehrern hinter einem leuchtenden Ziegenschädel hertrabte, jetzt sollte er auch noch mit der Göttin persönlich singen. Und? Er tat’s! Gemeinsam mit Mama brachte er der Göttin ein Ständchen.
»Ruhe!«, zischte der Biologe.
Doch Mama war nicht mehr aufzuhalten. Sie brüllte aus voller Kehle das Lied von der Loreley. Kubasch brummte dazu, weil er den Text nicht konnte. Aber das Ergebnis war auf jeden Fall umwerfend. Ich schämte mich in Grund und Boden. Als die beiden fertig waren, herrschte einen Moment genervtes Schweigen. Doch plötzlich hörten wir in der Ferne jemanden zurücksingen.
»Und nun singt Hekate für uns«, erklärte Mama. »Jawoll.«
Und dann marschierte sie mit Kubasch im Schlepptau schnurstracks Richtung Göttergesang. Es war absolut irre. Die anderen folgten ihnen auch noch! Am Ende blieb ich mit Zadek und seiner grinsenden Ziege allein zurück.
»Das kann auch täuschen in so einer Höhle«, sagte er beleidigt. »Wer weiß, woher das Lied kommt.«
»Mir egal«, rief ich. »Hauptsache, wir kommen hier raus!«
Und dann lief auch ich dem Lied hinterher. Nach einer Weile schimmerte oben an der Höhlendecke ein schmaler Lichtstreifen. Das Lied hatte jetzt aufgehört. Ich blieb kurz stehen und lauschte. Und dann rannte ich los.
Als ich aus der finsteren Höhle sauste, war ich im ersten Moment völlig geblendet. Vor mir glitzerte ein endloser Diamantenteppich. Der Anblick des Meeres war total berauschend. Ich kam mir vor wie eine Göttin, die ihr Wasserreich betrat. Und da hockte doch zehn Meter von mir entfernt mitten auf einem Felsen mein griechischer Prinz. Das war einfach nicht möglich! Bestimmt hatte ich einen Höhlenkoller oder so was bekommen.
Schreiend stürzte ich auf Nikos zu. Doch meine quatschnassen Sandalen verhakten sich in einer Wurzel, sodass ich der Länge nach hinschlug. Die Lehrer brüllten vor Lachen, aber das war mir in dem Moment egal. Rasch rappelte ich mich wieder auf. Jetzt hatte auch Nikos mich entdeckt. Er rutschte von seinem Felsen und kam auf mich zugerannt. Und dann umarmte er mich vor allen Lehrern.
Die Überraschung war Kubasch gelungen. Es war einfach unglaublich! Aber wo steckte er überhaupt? Ich schaute mich um. Er hockte erschöpft im Schatten am Höhlenausgang und lächelte mich matt an. An seiner Schulter lehnte Mama
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