Ferien mit Mama und andere Katastrophen
ein Stein vom Herzen, ich hatte ihm also nicht seine Zukunft ruiniert. Was mich aber gleich zu der kühnen Frage hinreißen ließ, wann wir uns denn wiedersehen würden. Er grinste nur geheimnisvoll und gab mir einen langen Kuss.
Zum Abschied umarmten wir uns und zwar richtig. Dabei drückte sich der Knopf seiner Jeans in meinen nackten Bauch, aber ich wollte Nikos einfach nicht loslassen. Und er mich auch nicht. Wieder stieg mir sein verwegener Geruch in die Nase und machte mich völlig bewegungsunfähig.
»Adio, Sophie«, sagte er schließlich.
Ich schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Irgendwann hörte ich in der Ferne sein Motorrad losdonnern. Ich hob mein Handtuch auf und schüttelte den nassen Sand aus.
Sollte ich den Oleanderstrauß nicht besser hierlassen? Wenn ich damit im Hotel auftauchte, war der Ärger mit Mama schon vorprogrammiert. Aber lässt man den ersten wirklichen Blumenstrauß seines Lebens einfach am Strand liegen? Auf meinem Bauch prangte noch immer der Abdruck von Nikos’ Jeansknopf.
Derart bewaffnet betrat ich unser Hotelzimmer. Mama kam gerade im Bikini aus dem Bad, die Zahnbürste noch im Mund. Enttäuscht schaute sie mich an. »Wir wollten doch zusammen schwimmen«, nuschelte sie. »Ich hatte mir extra den Wecker gestellt!«
Und dann entdeckte sie den Blumenstrauß. Zuerst schwieg sie und ich sah, wie sie mit sich kämpfte.
»Ach, Sophie«, sagte sie schließlich und setzte sich auf mein Bett. »In drei Tagen fahren wir heim und dann siehst du diesen Jungen nie wieder.«
Das war genau das, was ich jetzt unbedingt hören wollte. »Denkst du, das weiß ich nicht?!«, fauchte ich sie an.
Mama ist der festen Überzeugung, dass Männer im Leben einer Frau immer verschwinden. Der eine früher, der andere später. Deshalb ist es aus ihrer Sicht besser, sie tauchen erst gar nicht auf.
Mama legte einen Arm um mich. »In deiner Klasse gibt es so nette Jungs.«
Sie konnte es wirklich nicht lassen.
»Jungs? Das sind doch Babys im Vergleich zu Nikos. Die kommen ja noch mit dem Alu-Roller zur Schule!« Jetzt reichte es mir aber. Ich ging ins Bad und ließ Wasser in mein Zahnputzglas laufen. Dann tat ich die Blumen hinein und knallte das Glas mitten auf meinen Nachttisch. »Mir schenkt man eben Blumen!«, sagte ich frech.
»Du wirst ja sehen«, schnaubte sie. »Solche Kellnerjungs haben doch jeden Sommer eine andere.«
Sie wollte sich tatsächlich mit mir streiten, das ist sonst gar nicht ihre Art.
»Genau«, konterte ich. »Und deshalb brezelst du dich ja auch jeden Tag so auf, weil alle Männer doof sind. Allen voran Kubasch, der natürlich der oberdoofste von allen ist.«
Sie wurde rot wie eine Weihnachtskugel und sagte nichts mehr. Ein wenig tat sie mir leid. Aber wenn sie mir mit ihren Lebensweisheiten kommt, brennt bei mir eine Sicherung durch. Zum Glück passiert das ziemlich selten.
An diesem Morgen erschien Mama das erste Mal ungeschminkt zum Frühstück, sie trug ihre Haare zu einem dicken Zopf geflochten und das älteste T-Shirt aus ihrem Schrank. Keine Ahnung, was sie mir damit beweisen wollte. Dass Kubasch sie überhaupt nicht interessierte? Jedenfalls sah sie plötzlich aus wie ein junges Mädchen und nicht wie meine Mutter.
Als wir das Restaurant betraten, saßen schon alle vereint am großen Tisch. Seit unserer Verbrüderung aßen wir immer zusammen. Ehrlich gesagt fing ich langsam an, mich daran zu gewöhnen. Zadek winkte mir grinsend zu, neben ihm war noch ein Platz frei.
Mama setzte sich rasch zu Margarete. Vielleicht war es besser, wir trennten uns mal für eine Weile. Sie war noch immer rot im Gesicht und ich extrem hungrig. Doch irgendwie schien an diesem Morgen alles schwierig zu sein, selbst so ein einfaches Frühstück. Als ich mir nämlich einen Tee und Croissants vom Büfett holte, kam gerade der Frühstücks-Opa aus der Küche. Den hatte ich ja völlig vergessen! Er mich aber nicht. Vor lauter Aufregung ließ er gleich seine Schüssel fallen. Der frische Joghurt spritzte durch den halben Frühstücksraum. Mann, war das eine Schweinerei. Rasch setzte ich mich mit meinem Teller zu Zadek. Ich weiß nicht, woher ich die Hoffnung nahm, die Sache wäre damit nun beendet.
Nach der ersten Schrecksekunde kam der Opa schnurstracks an unseren Tisch geschossen. Er zeigte mit dem Finger auf mich und hörte gar nicht mehr auf, mich laut zu beschimpfen. Weil ich nicht reagierte, bohrte er mir seine langen, knochigen Finger in die Schulter, was wahrscheinlich
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