Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
nachzudenken begonnen hatte und die Wahrheit ihm zu dämmern begann, gab es kein Halten mehr. Pat jemals vergessen, nein, es war unmöglich. Sie war bereits in I seinem Herzen, in seinem Geist, in seiner Seele, in seinen Sinnen, und zwar für immer.
    Er starrte vor sich hin, ohne etwas zu sehen, sich an vieles erinnernd. Er dachte an das, was während all dieser wunderschönen Tage und Nächte mit Pat in ihm geweckt worden war und gegen das er gekämpft hatte. Er rief sich die Augenblicke ins Gedächtnis zurück, als sie in seinen Armen lag, und als er, ergriffen von ihrem Zauber, hätte rufen mögen: »Pat, Pat, ich liebe dich!« Und doch hatte er immer dagegen angekämpft und die Worte unterdrückt als etwas, das nicht gesagt werden durfte, als etwas, das nicht sein durfte.
    Jetzt, nachdem sie weggegangen war, konnte er es sagen, und es wurde ihm auch in seinem Herzen zur Gewißheit. Die tiefe, unausweichliche Bedeutung ihrer Verbindung wurde ihm mit einem Male klar: sie waren nun Mann und Frau geworden.
    Der große eintönige Raum wurde für Jerry zu einer Art Folterkammer, einem Gefängnis aus lauter Spiegeln, in dem die Wände, die Decke, die Türen und die jämmerlichen Möbel die Wahrheit reflektierten, die aus seinem tiefsten Innern emporstieg.
    Wohl konnte man so tun, als sei man ein Mann, und sich unbeschwert auf den Wellen eines lustigen, leichtherzigen Abenteuers forttragen lassen und sorgenlose Ferien genießen, die man nachher als eine Episode aus der vom Krieg zerrissenen und gänzlich auf den Kopf gestellten Welt abtat. Aber was dann, wenn es sich erwies, daß die Gegenwart des Mädchens einem ins Blut gegangen war, daß die Berührung ihrer Hand, der Schimmer ihrer Haut, der Ausdruck ihrer Augen, der Duft ihres Haares und der Klang ihrer Stimme einem so notwendig geworden waren wie die Luft, die man atmete, wie die Nahrung, die man zu sich nahm?
    Was sollte man da tun, und wie konnte man Vergessen finden, wenn einem jeder helle Winkel ihrer Seele, alle ihre kleinen menschlichen Schwächen und Abneigungen, ihre Großzügigkeit und Zärtlichkeit, ihre Fähigkeit zu Liebe und Freundschaft vertraut waren? Pat hatte sich während der Stunden, da sie zusammen gespielt, gelebt und geplaudert hatten, ganz gegeben. Sie hatte ihm Einblick in die Traumwelt gewährt, in der sie lebte, hatte ihm erlaubt, in sie einzutreten und sie mit ihr zu teilen. Sie hatte ihm weder ihre Schwächen noch ihre Stärken verborgen. In seiner Erinnerung lebte sie jetzt als eine schlichte, menschliche, liebenswerte Schönheit. »Pat... Pat... ich liebe dich«, sagte er laut vor sich hin, und heiße Scham übergoß sein Gesicht, als er sein eigenes nacktes Bild erblickte und sah, was er getan hatte. Er hatte sie zu seiner Geliebten gemacht und sie fortgeschickt, ohne auch nur anzudeuten, was in seinem Herzen für sie lebte und was er für sie fühlte.
    Er hatte sie weggeschickt, diese junge Frau, mit der er wie in einer Ehe verbunden war und die ihn ergänzte und jeden Winkel seines Wesens erfüllte. Er hatte sie weggeschickt mit einem Händedruck und einem Abschiedswinken und einem sorglosen Dankeschön, wie man eine Dirne wegschickt, und das auf eine Art, die man allgemein als erwachsen und männlich zu bezeichnen pflegte.
    Er hatte nackt und brutal die Bedingungen festgesetzt, genauso, wie man es ihn gelehrt hatte, und Pat hatte sie bis zum letzten erfüllt. Er erinnerte sich, wie er noch einmal zu ihr aufgeschaut hatte, als sie am Fenster ihres Abteils stand, so klein und zart, aber ohne zu weinen und mit erhobenem Kopf und erhobener Hand, um zu winken, bis er verschwunden war.
    »Die meisten sind hundertprozentig. Keine Tränen, keine Schererei! Bums, aus...«
    Aber was sollte man tun, wenn es nun in seinem Innern doch nicht aus war? Wenn es nie aus sein konnte, wenn man wußte, daß man ein Leben lang, und wo man auch sein mochte, die Erinnerung an sie mitschleppen mußte und auch die Sehnsucht, sie bei sich zu haben?
    Jerrys Augen fielen auf seinen Reisesack, als unten eine Lokomotive ihren durchdringenden Jammerpfiff hören ließ. Und plötzlich wußte er, was er zu tun hatte, zu was es ihn trieb, damit er sein Seelenheil finden konnte, wenn es überhaupt nach diesem Leben eine Fortsetzung, ein neues Leben gab.
    Schnell! Zurück zum Bahnhof! Den Nachtschnellzug erwischen und sich irgendwo hineindrängen. Zurückkehren, nach Kenwoulton zurückeilen, zu Pat, sie in die Arme nehmen, sie an sich pressen, ihr geliebtes Gesicht,

Weitere Kostenlose Bücher