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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Männer, mit denen sie gelacht, gescherzt hatte oder gar einen Abend ausgegangen war, von der Liste der Diensttuenden gestrichen, weil sie von ihren Flügen nicht zurückgekehrt waren, und man gewöhnte sich so sehr an die vielen Verluste, daß man die Toten kaum noch betrauerte. Von Bomben und Raketen bedroht, war das Leben zu einer Art Glückssache geworden. Gewiß, man wollte nicht sterben, aber die Drohung schwebte ja immer über einem. Deswegen lebte man auch gieriger, atmete tiefer, liebkoste die Erde mit den Füßen bewußter, blickte auch mit einem zärtlicheren und liebenderen Auge auf den Frühling, das grüne Gras, einen sonnigen Tag, auf Kinder, die am Straßenrand spielten.
    Aber als Pat am Tage nach ihrer Heimkehr gegen Abend in ihrem Zimmer saß und nachdachte, lehnte sie es doch ab, mit diesen Überlegungen ihre Handlungsweise zu entschuldigen. Die Strafe für ihr Vergehen hatte ja schon begonnen. Und bald würde sie noch schlimmer werden, denn binnen wenigen Tagen kehrte Jerry zurück. Er würde in ihrer Nähe, in Gedsborough sein und nach Kenwoulton kommen, und sie konnte ihm auf der Straße begegnen, an ihm vorübergehen oder ihn in einer Gruppe junger Flieger entdecken, die überall herumspazierten.
    Seine Nähe war es und die Möglichkeit, ihm jederzeit zu begegnen, die Pat so fürchtete. Bereits hatte sie den festen Vorsatz gefaßt, ihn nach seiner Rückkehr nicht mehr zu sehen. Ein Kapitel in ihrem Leben war abgeschlossen. Sie konnte nun nicht mehr an einem Samstagabend nach Gedsborough tanzen gehen oder mit ihm in einem Kino sitzen oder einen jener lustigen und närrischen Abende verbringen, wo sie von Wirtshaus zu Wirtshaus zogen. Denn sie wußte, daß sie nicht mehr die Kraft besaß, ihn zu sehen, in seiner Nähe zu sein und gleichzeitig ihre Liebe zu verbergen.
    Unten läutete das Telefon, und Pat merkte, wie sie unwillkürlich hinhorchte und wie sich ihrer alte Gewohnheiten und Hoffnungen wieder bemächtigten. Es war die Zeit, da Jerry anzurufen pflegte, und sie erinnerte sich, wie sie in früheren Tagen immer gehofft hatte, daß es Jerry war, der zuerst anrief, und nicht einer jener jungen Männer von Gedsborough, mit denen sie sich ab und zu traf.
    Von unten hörte sie das helle Kichern einer Kameradin, die am Telefon sprach. Sie zwang sich, nicht mehr hinzuhören, und schaute sich mit einer Art Verzweiflung und quälender Unruhe im Zimmer um. Auf einem Regal neben dem Fenster standen ihre Lieblingsbücher, aber sie hatte nicht den Mut, eins aufzuschlagen. Von ihrem Platz auf der Kommode blickten die Bilder ihrer Eltern zu ihr herüber, und Pat fiel plötzlich ein, daß sie von Jerry nicht einmal ein kleines Bild als Andenken besaß und auch keine Schulterlitze von seiner Uniform, keinen Silberflügel, nichts...
    Ach, sie hatte es ja nicht gewußt, sie hätte es sich nie träumen lassen, daß es so schlimm würde, selbst nach dem inneren Kampf, der ihrer unbeschwerten Fahrt mit Jerry an jenem Junimorgen vorangegangen war.
    Jerry war der erste Mann, den Pat jemals wirklich geliebt hatte, und er war auch der erste Mann, dem sie sich hingegeben hatte. Diese Hingabe war das Geschenk ihrer Liebe, ihrer Großherzigkeit. Ihre Jugend hungerte nach Jugend, ihre Liebe nach Gegenliebe, um ihre Sehnsucht zu stillen. Aber sie hatte niemals gewußt oder auch nur geahnt, was das bedeutete und wie es ihr ganzes Wesen verändern würde.
    Sie hatte nur einen Augenblick des Glücks in dieser auseinanderbrechenden Welt zu erraffen gesucht. Nichts anderes hatte sie gewünscht, als ihrer Liebe zu Jerry eine Weile nachzugeben, bevor sie sie für immer aus ihrem Leben verbannte. Sie hatte gewußt, daß sie ihn nie vergessen könne, daß für immer eine schöne und zarte Erinnerung Zurückbleiben würde, aber sie hatte doch damit gerechnet, daß die fortschreitende Zeit den Traum allmählich auslöschen würde. Sie hatte nicht vorausgesehen, was sie jetzt wußte, daß nichts mehr im Leben zählte als Jerry.
    Ja, sie gehörte Jerry. Alles, was sie war, ihre innersten Gedanken, ihr ganzes Wesen, ihr ganzes Leben, alles gehörte ihm. Er besaß sie ganz, und das Wissen um diesen Besitz ließ ihr Herz vor Schreck erzittern. Nichts war ihr geblieben, woran sie sich hätte festhalten können. Sie war gänzlich und hoffnungslos verloren.
    Nicht einmal die Erinnerung bot ihr eine Zuflucht, wie sie gehofft hatte. Denn im Verlaufe der Tage, die sie gemeinsam verlebt und in denen sie sich immer näher gekommen waren, war

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