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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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schläfrige Lächeln in den Mundwinkeln Pats, nicht aber an ihren Mund selbst.
    Damals war es so gewesen, als ob die in Schatten getauchten Wände der niedrigen Kammer seine ganze Welt umschlossen. Alles Vergangene war begraben und vergessen gewesen. Pat atmete in seinen Armen, und ein Morgen gab es nicht. Aber jetzt, hierin seinem Zimmer in Westbury, war er wieder im Heute, und nur Bruchstücke des Erlebten waren ihm geblieben.
    Von seinem Schreibtisch schauten die ernsten, vertrauenden Augen Catharine Quentins auf ihn. Die alte vertraute Uhr in der Halle schlug neun, und er horchte hin, fast als ob er erwartete, nun die Stimme seiner Mutter zu hören: »Jerry, es ist Zeit, zu Bett zu gehen.« So hatte sie ihn als Knaben immer zum Aufbruch gemahnt. Der Sommerabend wehte aus dem Garten den Duft der Blumen zu ihm herauf, und er hörte von der Straße her den zu allen Zeiten gleichen Lärm der spielenden Kinder. Aus der Ferne klangen undeutlich Radiomusik und das Rattern eines Eisenbahnzuges herüber.
    Er war zu Hause, und England lag äonenweit weg wie ein Traum — der Flugstützpunkt von Gedsborough im frostigen Grau der Morgendämmerung, er und Sam Bognano hoch oben in der Kanzel des Flugzeuges sitzend, während die Motoren dröhnten und heißliefen, und um sie herum die andern Liberator-Bomber wie Riesentiere, und dann das Rollen über die Startbahn — alles erschien ihm nun wie ein Traumgespinst.
    Das Klirren des Geldautomaten im Offiziersklub, Lester Har-rison und seine spöttischen Augen, Jeepfahrten durch die engen Straßen Englands, London, das sein zerrissenes und zerbrochenes Herz hinter noch stehenden, sauberen Fassaden verbarg, das schmutzige, düstere und doch freundliche Kenwoulton und der Geruch der Armut in den Kinos, das dumpfe Scharren von unsichtbaren Füßen in den Eisen- und Steinhöhlen der Bahnhöfe, die beißende Schärfe des Kohlenrauchs, das ungeduldige und sinnlose Falsettgekreisch der Lokomotivpfeifen und — o Himmel, Pat, Pat! Wo mochte sie wohl jetzt sein?
    Er versuchte, sie sich in dem verdunkelten Zimmer des Hauptquartiers des Spitfire-Kampffliegerstützpunktes, wo sie Dienst tat, vorzustellen, wie sie ihren kleinen Kopf mit dem weichen, eingerollten Haar über die kreuz und quer in Vierecke eingeteilte Radarleinwand beugte, in tiefster Konzentration, während die Lichter darüber geisterten, die den Ort bezeichneten, wo sich am Himmel ein Flugzeug befand.
    Konnte er ihr nicht Gedanken wie Radarwellen senden, überlegte er sich, und in seinem Innern die winzigen glänzenden Reflexe ihres Wesens auffangen? Dann warf er einen Blick auf die Uhr und errechnete den Zeitunterschied. Jetzt, stellte er fest, konnte Pat ja gar nicht auf dem Posten sein. In England war es noch nicht einmal ganz Morgen. Sie schlief wohl noch in ihrem Zimmer im oberen Stock des schmutzigen Hauses in der Bishops Lane.
    Und plötzlich sah er sie vor sich. Er sah den kleinen Flecken an ihrer Schläfe und die Rundung ihrer Wange, die braunen Wimpern auf der durchsichtigen weißen Haut, den dicken Knoten ihres seidigen Haares und wie sie eine Hand, zur Faust geballt, unters Kinn stützte.
    Die Tür hatte sich wieder geöffnet, und die Erleichterung, Pat wiedergefunden zu haben, vermischte sich mit dem Gefühl des Einsamseins und der Herzensqual, die der Erinnerung an die mit ihr verbrachten Stunden entsprang. Und dem Wiedererwachen seiner Sehnsucht folgte die Erkenntnis, daß er bis jetzt noch nichts entwirrt hatte. Nichts stand fest außer der Tatsache, daß er in weniger als vier Stunden auf dem Flugplatz sein und an Bord des Flugzeuges klettern mußte, das ihn nach England zurückbringen sollte.
    Was erwartete ihn dort? Neue Einsätze, Furcht, Kampf und aufreibendes Ringen mit der beschädigten Maschine, Scherereien, Kino, Langeweile, Schlaf, das tägliche Einerlei des Luftkrieges...
    Und was würde aus ihm und Pat werden? Würden sie einfach dort wieder beginnen, wo sie aufgehört hatten, würden sie sich einige Augenblicke des stillen Beisammenseins erschleichen können, in irgendeinem schmutzigen Zimmer, wo sie versuchen würden, die Romantik ihrer Flitterwochen im Paradies des schottischen Hochlandes wieder herzuzaubern? Oder würden sie nun wieder wie gewöhnlich ein wenig tanzen und dann an einem Tisch sitzen, als ob nie etwas zwischen ihnen vorgefallen wäre, und mit einem leichten Gruß sich an der Ausgangstür trennen, wenn die Autos heranrollten, mit denen die Mädchen in die Stadt zurückkehrten?
    Es

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