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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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zu einem gewissen Vermögen gekommen. Da aber die engherzigen amerikanischen Richter öfters an Herrn Stefensons Geschäftsgebaren Anstoß genommen und es dem sonst ganz anspruchslosen Manne trotz der geradezu luxuriösen Ausstattung der amerikanischen Gefängnisse in diesen gar nicht gefallen habe, so sei er auf den Einfall gekommen, sein Wirkungsfeld vorübergehend mal nach Deutschland zu verlegen, und seine Wahl sei auf Waltersburg gefallen, die Stadt, die das weiße Lamm im grünen Felde in ihrem Wappen führe.
    Als ich diesen Artikel gelesen hatte, geriet ich in große Aufregung. Stefenson verstand mich nicht.
    »Es ist wahr«, sagte er, »der Artikel könnte farbenreicher gehalten sein, die Geschehnisse sind etwas nüchtern gegeben, aber, mein Lieber, der heutige Geschmack verpönt das Allzukrasse. Ich finde den Artikel ausgezeichnet, viel, viel besser, als den, der neulich über Sie in dieser Zeitung stand.«
    »Stefenson !« schrie ich ihn an: »Sehen Sie denn nicht ein, daß uns dieser Zeilenschmierer, dieser Süffling unmöglich macht? Jetzt bleibt nichts anderes mehr übrig, jetzt müssen Sie den Mann verklagen.«
    »Ja, glauben Sie, daß ich toll bin?« entgegnete Stefenson. Ich erzählte ihm, was schon der Artikel über mich für allerhand Unheil angerichtet habe. Nicht bloß, daß sich meine Mutter fast die Augen aus dem Kopfe geweint habe, ich hätte gehört, wie die Leute hinter mir zischelten.
    »Stefenson, unseren guten Ruf müssen wir behalten, sonst sind wir ruiniert.«
    »Guten Ruf?« verwunderte er sich. »Wie kann man seinen guten Ruf behalten, wenn man Geschäfte macht? Das ist doch unmöglich. Er wird einem doch selbstverständlich kaputtgemacht. Wenigstens äußerlich - in der gegnerischen Presse - das ist ja unausbleiblich. Darüber regt man sich doch nicht auf!«
    Ein Brüllen tönte von der Straße herauf.
    »Der Pferdedieb! - Der Löffelstehler! - Der Petroleumstänker! Raus, raus!«
    Stefenson lugte durch die Gardine.
    »Sechs oder sieben junge Burschen. Sie benehmen sich ganz weltstädtisch. Petroleumstänker ist bei der Kürze der Zeit schon ein ganz gut geprägter Zuruf!«
    »Stefenson, es geht nicht - Sie werden sehen, es geht bei uns nicht. Sie sind hier nicht in Amerika. Die ganze Stadt wird uns boykottieren.«
    »Desto besser.«
    »Die Geschäftsleute werden nicht mehr liefern.«
    »Gegen bar werden sie bestimmt liefern.«
    »Nein, unser ganzes Unternehmen wird scheitern, wenn Sie den infamen Artikel nicht Zeile für Zeile in öffentlichem Gerichtsverfahren als Lüge brandmarken.«
    »Das soll mir gewiß nicht einfallen«, lachte er.
    Es war in meiner Wohnung am Johannisplatz, wo diese Unterredung stattfand. Das Lärmen auf der Straße wurde indes lauter, die demonstrierende Schar wurde größer. Da verließ mich Stefenson. Den Kopf mit seinem grauen Zylinderhut bedeckt, schritt er seelenruhig durch die Menge. Diese schwieg betroffen und gab eine Gasse frei, dann lärmten die Leute hinter Stefenson her. Ich war so verbittert, daß ich wohl eine Stunde lang planlos vor der Stadt am Bache hin und her ging, ehe ich Stefensons Büro aufsuchte.
    »Wissen Sie, was unser erster Architekt gemacht hat?« fragte er gleich bei meinem Eintritt. »Seinen Kontrakt mit mir hat er gelöst. Der Esel! Mir hat er einen großen Gefallen getan; denn ich weiß einen tüchtigeren und billigeren Mann, als er ist, und bin froh, daß ich ihn los wurde. Glück muß man haben!« Er rieb sich die Hände.
    »Mister Stefenson«, sagte ich ernst, »wir werden wohl unsere Kontrakte alle lösen müssen. Denn obwohl ich natürlich von dem Schundartikel eines verkommenen Subjekts nicht ein Wort glaube, so sehe ich doch ganz klar, daß unsere Situation hier unhaltbar wird, wenn Sie sich nicht von dem Schmutz, der auf Sie geworfen wurde, reinigen. Wir vermögen nicht ohne die Achtung unserer Mitbürger zu bestehen. Wir werden unmöglich!«
    Stefenson ging mit großen Schritten auf und ab. Er kaute an seiner pechschwarzen Zigarre. Ganz milde sagte er:
    »Ja, sehen Sie, lieber Freund, Ihr Volk in Ehren - meine Mutter war ja auch ’ne Deutsche . . .«
    »Und Ihr Großvater väterlicherseits war Georg Stefan aus Hamburg«, wollte ich dazwischenwerfen, verschluckte es aber.
    »Ja, also die Deutschen«, fuhr Stefenson fort, »bilden sich was ein auf den Humor, den sie haben und den andere, z. B. die romanischen Völker, gar nicht haben. Schön - ich gebe zu, Sie haben Dichter, die ausgezeichneten Humor haben, und auch

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