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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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deutsche Geisteszivilisten sind vielfach mit einer beträchtlichen Dosis von Humor begabt. Aber das ist alles so - entschuldigen Sie -, so sparsam, so auf Kleinbetrieb, auf Hausbedarf berechnet. Der Humor, der ins Große geht, der fehlt Ihren Leuten. Himmel, ist das nicht grandioser Humor, wenn ein anständiger Mann sein Geld und seine Zeit auf eine große, aber sehr wackelige Sache setzt, und es kommt so ’n Preßäffchen und kläfft was von Pferdedieb und Petroleumstänker? Das nenne ich Humor. Das liest sich doch nett. Da hat doch der Abonnent was von seinem Blatt. An die Geschichte glauben? Wenn der Leser nur ein bißchen Hirnschmalz hat, fällt’s ihm nicht ein, ein Wort zu glauben. Aber er tut so, als ob er’s glaubte, er mimt mit in der Maskerade und amüsiert sich dabei königlich. Und der, dem der Feldzug gilt, wird ein bekannter, ein berühmter, ein reicher Mann. So sind alle zufrieden: die Zeitung, die den Schwindel aufgebracht hat, die Leser, die eine amüsante Frühstückslektüre gehabt haben, und der Mann, der angegriffen worden ist und seinen Profit hat. Ich sage Ihnen, in Amerika ist es leichter, zehn Verbrechen wirklich zu begehen, als eines zu erfinden, das originell genug ist, einem Manne der Öffentlichkeit angehangen zu werden. Und auch in Amerika lebt trotzdem jeder nur auf dem Grunde des Vertrauens seiner Mitbürger. Aber der Humor, Mensch, der Humor darf nicht fehlen!«
    »Wir in Deutschland haben einen anderen Humor«, sagte ich und war froh, daß es so ist.
    Da kam einer unserer Bauführer und meldete kleinlaut, daß wahrscheinlich fast alle unsere Arbeiter kündigen würden. Als er gegangen war, saß Stefenson gesenkten Hauptes am Tisch. »Werden Sie nun begreifen«, fragte ich, »daß Sie die gerichtliche Klage anstrengen müssen, daß es absolut Zwang für uns ist?«
    »Ich kann die Leute nicht verklagen«, sagte Stefenson schwermütig.
    »Sie können nicht?« fragte ich betroffen. »Warum können Sie nicht?«
    »Weil ich den Artikel über Sie und mich selbst geschrieben habe.«
    Ich sprang auf. Stefenson winkte sacht mit der Hand. »Ja, sehen Sie, das ist so gekommen: Ich dachte, wenn ich die Artikel in das Neustädter Blatt lanciere, gibt es Aufsehen in der Gegend. Und es ist billig. Mit hundert Mark war der Redakteur zufrieden, mit dreihundert der Verleger, so daß sie mir die Erlaubnis gaben, mich und meine Sache in ihrem Blatte recht kräftig zu beschimpfen. Na, ich wollte die Geschichte so durch zwei, drei Wochen fortsetzen, dann wollte ich das Waltersburger Stadtblatt ebenfalls gewinnen und darin Artikel gegen die Neustädter »Umschau« loslassen. Das sollte so hübsch hinüber- und herübergehen, bis zuerst die Provinz- und dann die hauptstädtische Presse davon Notiz nahm und im bunten Teil Auszüge brächte, etwa unter der Überschrift: >Der Sturm im Wasserglase< oder >Krieg der Zaunkönige< oder >Ein Mordsskandal in Dingsda< oder so ähnlich. Da hätte nun das große Publikum auf einmal etwas von uns gehört, hätte die bittere Pille unserer Idee in der Verzuckerung sensationellen Humors geschluckt, und überall hätte man von uns und unserer orginellen Kuranstalt gesprochen, und wir wären durchgewesen. Diese ganze schöne Propagandaidee hätte mich etwa lumpige tausend Mark gekostet, und nun fällt sie durch die Humorlosigkeit dieser Leute zusammen.«
    Ich kam aus der Verblüffung zuerst nicht heraus. Dann aber begriff ich, was zu tun sei.
    Es stellte sich heraus, daß Stefenson nach seiner Art mit dem schmierigen Zeitungsleiter von Neustadt alles schriftlich vereinbart hatte, daß also Beleg- und Beweismaterial da war. Das freute mich, und ich entwarf in Eile einen kurzen Artikel für unser »Waltersburger Tageblatt«. Es lautete:
    »Einen fürchterlichen Reinfall haben die Neustädter erlebt. Ihre weitverbreitete >Umschau< hat ihren sieben Lesern (bitte! sieben ist kein Druckfehler) Schauermären über die Unternehmer der in Waltersburg zu begründenden großen Kuranstalt aufgebunden, Geschichten von geradezu grotesker Dummheit. Während das gebildete Waltersburger Publikum die klatschfetten Zeitungsenten als solche natürlich sofort erkannt hat, sollen sie gewissen Neustädter Kreisen über die Maßen gemundet haben. Denn der Haß gegen das aufblühende Waltersburg ist zu groß, als daß nicht auch die eselhafteste Lüge, wenn sie nur gegen die Nachbargemeinde gerichtet ist, in Neustadt Glauben fände. Wie schwer der Reinfall ist, möge folgender Aufschluß bekunden:

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