Ferien vom Ich
wohnen können. Es ist alles rein und gut; schlechten Leuten würde hier das Herz springen.«
Ich war ihr dankbar und sagte:
»Aber es soll doch eine Zufluchtsstätte werden für solche, die nicht glücklich sind, auch wenn sie durch eigene Schuld unglücklich geworden sind.«
»Ich finde«, sagte Eva Bunkert, »in dem Ganzen ist ungeheuer viel Kindliches.«
»Das ist ein hohen Lob, mein Fräulein, was Sie da sprechen«, meinte Mister Brown. »Genialität ist nie etwas anderes als das Ursprüngliche, das Kindhafte. Sie glauben gar nicht, wie kindlich unsere guten amerikanischen Humoristen sind. Ganz im Ernst! Sehen Sie deren Tier- und Kinderbilder an, es ist alles geschaut mit den abgeklärten Augen des ernsten Mannes und alles gefühlt mit dem Herzen des kleinen Buben.«
»Stefenson ist ein Genie«, sagte Eva Bunkert warm.
»Das will ich nicht sagen«, entgegnete Brown, »er ist nur das Werkzeug; der Schöpfer der ganzen Idee ist, wenn ich recht unterrichtet bin, der Herr Doktor, der mit uns auf dieser Bank sitzt.«
Ich wehrte das Lob ab, und Eva Bunkert sagte:
»Wohl, der Doktor hatte die Idee, hatte den Traum in der Seele, aber Stefenson hatte den Mut, den Traum in Wirklichkeit zu verwandeln. Ich möchte sagen, der Doktor hat ein schönes Motiv in die Welt gesungen, und Stefenson hat ein herrliches Lied daraus geschaffen.«
»Sie sprechen sehr gut und lieb von meinem Landsmann«, sagte Mister Brown gerührt.
»Oh«, rief Eva Bunkert, »ich schwärme für Stefenson. Es hat mir noch nie ein Mann solchen Eindruck gemacht wie er, obwohl er der Konkurrent meines Vaters ist. Erst recht deshalb ! Ich mag die Leute nicht leiden, die sich nur für die Freunde und Gönner ihrer eigenen Sippschaft begeistern können.« Da wurde auch die kleine Braune munter.
»Ja«, seufzte sie, »es ist schade, daß Mister Stefenson verheiratet ist! Er wäre der erste, der bei der stolzen Eva Bunkert wirklich Glück hätte!«
»Du Plappermaul!« zürnte Eva, reckte aber den Kopf hoch. »Nun, ich leugne es nicht: der Mann gefällt mir. Weil er eben ein so ganzer Mann ist. Vom Heiratenwollen aber ist gar keine Rede.«
»Es wäre keine schlechte Partie«, meinte ich.
»Eben deshalb!« sagte Eva trotzig. »Ich will mal keine gute Partie, ich will einen Mann heiraten!«
»Ich wußte gar nicht, daß Stefenson verheiratet ist«, warf Mister Brown ein.
»Wie? Und Sie wollen ihn so genau kennen?«
»Oh - ich als anständiger Journalist kümmere mich um das, was Stefenson für das Land und die Welt bedeutet, nicht um seine Privatverhältnisse. Ich habe nie gehört, daß Stefenson verheiratet sei. Es ist mir auch ganz gleichgültig.«
»Der Herr Doktor hat es uns gesagt«, erwiderte das Mädchen. Da grunzte Mister Brown so tief und absonderlich, daß ich erschrocken aufschaute und ihn ansah. Und ich blickte -in Stefensons Augen. So klar, in so deutlichem Zorn blitzten diese Augen mich an, wie ich sie von hundert Gelegenheiten her kannte, wenn dem jähzornigen Manne die Galle überlief, was oft genug geschah.
Ein wüster Verdacht erwachte in mir. Dieser Mister Brown war gar kein amerikanischer Journalist, es war Stefenson selbst, der uns in einer vorzüglichen Maske getäuscht hatte. Noch einmal blickte ich ihn an; ich sah wieder in ein fremdes Gesicht. Aber ich wurde den Verdacht nicht mehr los. Jedenfalls, alter Freund, so dachte ich, bist du es wirklich, so entlarve ich dich; bilde dir nicht ein, mit ein bißchen Detektivenschlauheit deutsche Gimpel zu fangen.
Ich fing an, auf Stefenson zu schimpfen.
»Der Mann mag seine Vorzüge haben«, sagte ich, »aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. So ist Stefenson - ich sage das ruhig, obwohl er mein Freund ist - ungeheuer eitel!«
»Das ist kein Schaden«, fiel Eva ein. »Viele große Männer sind eitel: viele Staatsmänner, viele Geistliche, alle Dichter -selbst solche, denen man es gar nicht zutraute, wie Kriegsleute, Flieger, Polizisten, sind eitel. Was heißt überhaupt eitel sein? Wer umzirkelt den Begriff? Auf sich halten, auch in kleinen Äußerlichkeiten nicht verpowern, ist eine gesunde Eitelkeit. Eine andere kann Mister Stefenson gar nicht haben.«
Da lachte Mister Brown.
»Oh!« sagte er, »was das anlangt, so ist Stefenson so eitel, daß er, wenn er sich im Rasierspiegel sieht, erst immer seinem schönen Bild eine kleine Verneigung macht, ehe er sich einseift.«
»Ich denke, Sie kümmern sich nicht um Herrn Stefensons Privatleben«, rief Eva
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