Ferien vom Ich
eilte nach der Tür.
»Kindchen, auf dich hätt’ ich ja ganz vergessen. Aber geh hier hinaus! In diesem Haus ist Diphtherie.«
Er schob Luise besorgt auf die Straße. Eva Bunkerts Gesicht wurde etwas ernster.
»Ach, Herr Stefenson ist verheiratet?«
Ich war so boshaft, zweimal mit dem Kopf zu nicken.
Da räusperte sich Eva Bunkert und sagte, es sei wohl jetzt Zeit, nach Hause zu gehen.
Ich hielt sie nicht auf. Es kam zum allgemeinen Aufbruch. Draußen auf der Straße schmiegte sich die kleine Luise dicht und zärtlich an Stefenson an und schmollte mit ihrem »lieben Papa«, der sie im Stiche gelassen hatte.
Und Stefenson, ob er auch nach Eva Bunkert hinschielte, trat nicht zu ihr und sagte vor den Ohren des Kindes: »Ich bin nicht ihr Vater!«
Nein, er hielt stand dem Vaternamen gegenüber, den er sich selbst gegeben hatte. Er verleugnete das Kind nicht. Da hatte ich ihn wieder gern.
Als wir allein waren, sagte Stefenson:
»Das hätte nun alles so gut in unser Programm gepaßt, und nun ist nichts zum Abschluß gekommen.«
Ich erwiderte:
»Diese Eva Bunkert ist eine ganz gute Erscheinung, aber ich fürchte, sie würde unserer Sache schaden.«
»Schaden?« fuhr er auf. »Nützen! Glauben Sie mit Sentimentalität, alten Rückständigkeiten und mit Duckmäusertum noch was auszurichten? Glauben Sie, daß ein schönes Gesicht, eine gute Figur, ein beweglicher Geist des Deibels ist? Oh, ich sage Ihnen, wenn wir die moderne Welt und ihre Schädlichkeiten besiegen wollen, müssen wir verflucht modern sein. Mit noch so ehrwürdigen Armbrustpfeilen geht keiner mehr an gegen die Schnellfeuergeschütze der neuen Zeit.«
Wir blieben noch einen Tag in diesem Dorfe und trafen die Mädchen wieder. Beide waren gleichmäßig freundlich. Stefenson widmete sich ganz der schönen Eva und sprach mit mir oder Anneliese kaum ein Wort.
Der Journalist
Nun ist’s ein Jahr her, seit die Verwirklichung meiner Idee von dem großen Ferienheim keimte und wuchs. Jetzt nähert sie sich der Reife. Anfang Februar gab es eine Sensation. Stefenson reiste nach Amerika zurück. Da höhnten die Neustädter, dem sei wohl im letzten Augenblick doch angst und bange geworden vor seiner übergenialen Neugründung und nun käme der Zusammenbruch. Ich blieb ganz ruhig; denn ich wußte, daß alles gut vorgesorgt war und Stefenson nun nach Hause fuhr, um seine dortigen dringendsten Geschäfte in Ordnung zu bringen. Die kleine Luise wollte der Amerikaner mit auf die Reise nehmen. Erst nach ernsten Vorhaltungen, die beinahe in Feindseligkeiten ausarteten, ließ er das Kind zu Hause. Aber Neid und Zorn war in seinem Herzen, und zwar nicht nur wegen des Kindes.
»Ich bin begierig, wie Sie sich gegen Fräulein Eva Bunkert benehmen werden, wenn sie nun kommen wird, um unser Heim zu beschauen. Ich fürchte, Sie werden den rechten Ton nicht treffen.«
Ich lächelte. »Fürchten Sie, daß ich zu abweisend oder zu entgegenkommend sein könnte? Eva Bunkert ist ein sehr schönes Mädchen.«
»Ich bitte Sie«, sagte er herb, »daß Sie sich mit Fräulein Bunkert weder in der einen noch in der anderen Art zu viel beschäftigen, sondern mir diese ausgezeichnete Akquisition für unsere Kuranstalt persönlich überlassen.«
»Ich überlasse Ihnen diese Akquisition«, sagte ich großmütig und feierlich. Darauf knurrte er, vor Mitte Mai könne er keinesfalls zurück sein. Als ich ihn zum Zuge begleitete, wünschte ich aufrichtig, er möge bald zurückkommen . . . Vor drei Tagen ist nun unser Freund Emil Barthel mit seiner Susanne und seinen Kindern bei uns eingezogen. Er hat den Forellenhof dicht unten am Bach übernommen. Des Staunens seiner Leute war gar kein Ende. Sie gingen bedrückt durch die großen, neuen, so behaglich ausgestatteten Räume wie Fremde, die ein merkwürdiges prächtiges Haus betrachten. Aber sie werden in diese Räume hineinwachsen. Der Bauer hat uns schon wesentliche Dienste erwiesen. Er bezeichnete uns Kameraden und Bekannte, die sich als Pächter unserer Höfe eignen würden, und ob wir auch kaum den dritten Teil davon gebrauchen konnten, so gaben uns die ausgewählten Leute wieder die Adressen neuer Kandidaten, so daß unsere zwanzig Höfe besiedelt sind. Der andere Teil des Geländes wird von den alten früheren Dominialgebäuden aus bewirtschaftet.
Es geht alles schnell, ruhig und sicher, wo ein zielbewußter Wille und wo - Geld da ist.
Manche unserer Höfe haben herkömmliche poetische Namen, wie Forellenhof, Erlenhof, Grundhof,
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