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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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sie pflegen und füttern kann.
    Die kleinliche, ordnungswütige Hausfrau, die ihrem Mann wegen eines Zigarrenstäubchens eine Szene machte, und Kinder und Dienstboten teufelte, bis sie zu uns abgeschoben wurde, bekommt einen Dackel und erhält als Antwort auf ihre entrüstete Klage, daß ihr das »entsetzliche Vieh« die
    Hausschuhe verschleppe und in eine gute gestickte Decke ein Loch geknabbert habe, die Antwort, die Welt sei weit, der Himmel sei hoch, die Hausschuhe und bestickten Decken seien im Universum von nur nebensächlicher Bedeutung und ohne Dackel könne sie nicht gesund werden.
    Die ganz unheilbar musikalische Donna Eleonora, von der mir ihr Hausarzt im verschlossenen Briefe mitteilte, sie brächte ihre Nachbarschaft durch ihr ewiges Klavierspielen zur Verzweiflung, erhielt ein Klavier und einen Dachshund verordnet. Das Klavier hat sie aufgegeben; der Dachs hat es so verbellt und verheult, daß ihr die Drahtkommode zur Unmöglichkeit wurde.
    Allen den sehr nervösen Herren, die zu mir kommen, und von denen ich weiß, daß sie trotz ihrer krankhaften Gereiztheit draußen in der Welt als Richter oder Examinatoren auf arme Opferlämmer losgelassen werden, verordne ich einen Dackel und bitte sie, sich seiner künftighin auch vor ihren Amtshandlungen zu bedienen. Ich denke dabei an die Wirkung milde ableitender Mittel. Einer, der einen Hund gestreichelt hat, kann keinen Menschen ohne äußerste Not zu Boden schlagen, auch wenn seine Nerven noch so ruiniert sind.
    Ferien vom Ich.
    Das ist so die fieberstillende Wirkung der »krummbeinigen Medizin«. Aber der Dachs wirkt auch stärkend und aufbauend. Einer, der an keine Treue auf der Welt mehr glaubte, bekam einen Dachshund. Nach acht Tagen sagte er mir, der Dachs sei, wie alle Kreaturen, ein »untreues Luder«. Er gehe ihm stets durch die Lappen, immer seinem tierischen Instinkt nach, geradeso, wie es die Menschen täten! Vier Wochen darauf war der Mann bekehrt. Er sagte mir:
    »Bis ich am Hang am Berge bin, ist der Dackel in alle Winde. Aber wenn ich zwei Stunden dort oben gesessen habe, kommt der Hund zu mir mit schmutzigen Pfoten und lehmiger Schnauze. Und es ist mir, als ob er treuherzig sagte: Liebes Herrchen, es gibt zwar noch tausend Mauselöcher, in die ich schnubbern möchte, aber es ist doch am schönsten bei dir! Das ist immerhin eine gewisse Treue!«
    Endlich verordne ich einen Dackel allen denen, die ein gespreiztes, hoffartiges Gebaren haben, denen, die »sich tun«, wie die Leute sagen. Es sind ihrer sehr viele. Wer »tut sich« heutzutage nicht? Der Dichterling, der reiche Kaufmann, der Herr Beamte, das ganze Weibsvolk. Bindet ihnen nur einen Dackel ans Bein, der sie an den Hosen oder am Humpelrock zerrt, gleich ist ihre Hoheit dahin. Man kann nicht geziert, nicht unnatürlich tun und sein, wenn man mit einem Dackel geht. Das rustikale Viehzeug verdirbt allen aufgeblasenen Stil, zerrt einen widerwillig in die Natürlichkeit zurück. Gewiß, der Dackel ist ein stobiger Philister, ein täppischer Biedermeier, ein Kleinbürger, aber auch ein Nihilist gegen alle Gespreiztheit, ein genialer Spötter.
    Ich wüßte nicht, warum ich ihn nicht als Heilmittel gegen mancherlei Gebrechen unserer Zeit in unseren Kurplan ein-setzen sollte!

In der Genovevenklause

    Die Genovevenklause ist frei geworden. Den Sommer über wohnte eine Witwe mit ihrem Söhnchen darin. Eine vornehme Dame, die nach dem Untergang ihres Eheglücks aus ihrer bunten Gesellschaft in die Einsamkeit der Klause flüchtete. Das Häuschen ist halb in den Berg hineingebaut, ein Kreuz ist über dem Felsen, der Bach fließt vorbei, ein zahmes Reh grast vor seiner Tür. Es vertritt die Hirschkuh der Legende. Dort bei der Genovevenklause ist meist tiefe Stille; nur ein schmaler Fußweg führt zu ihr hin, und es ist dort recht einsam. Nur die Heimwehfluh mit dem Hirtenhaus ist ebenso still.
    Nun ist die Frau fortgezogen. Sie mußte in die Welt zurück und hatte Tränen in den Augen, als sie Abschied nahm. »Wenn das Grab meines Gatten hier wäre, möchte ich nie mehr ausziehen aus der lieben Klause«, sagte sie.
    »Sie müssen es wegen Ihres Sohnes«, entgegnete ich ihr; »Sie dürfen keinen Schmerzensreich, keinen Parsifal aus ihm machen; Sie müssen ihn vorbereiten für das Leben.«
    »Mir graut vor dem Leben«, sagte Frau Herzeleide und zog davon!...
    Heute war ich in der Direktion. Der Direktor war nicht anwesend, und ich mußte ein wenig warten. Da kam sie zur Tür herein - Magdalena vom

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