Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
Vom Netzwerk:
befehlen kannst: Laß ab von jenem Mädchen, das ich für mich will! Oder, wenn du es auf die Freundschaft hinausspielen willst: wo war je in der Welt Freundschaft stärker als Liebe, wo wäre sie im Kampfe mit ihr nicht unterlegen? Komm nur zurück, alter Geschäftemacher, und kämpfe um die Braut! Wenn du zu lange ausbleibst, wirst du sie als die Meine finden und sie mir gewiß nicht mehr entreißen. So wollte ich das Recht auf mein Lebensglück wahren. Aber neben dem Willen saß der Zweifel. Ich wußte, daß Evas Herz viel mehr zu Stefenson neigte als zu mir. Ich war wohl für das Glück der Liebe nicht bestimmt. Niemals im Leben hatte es mir ernsthaft gewinkt. Vielleicht war ich zu scheu, zu verträumt meinen Lebenspfad gegangen. Auch die kleine Anneliese, die junge, rote Rose, hatte ich übersehen.
    Nun streckte der Bruder die Hand nach ihr, und auf der Wiese stand des Bruders Weib und sah mit verlorenen Augen nach ihm hin.
    Auch da fühlte ich ein böses Wetter aufsteigen.

    Das ist doch ein kostbares Geschenk, das der Herrgott seinen Erdenkindern macht: die Arbeit. Hast du ein Leid im Herzen, das nicht heilen will, das dir den Tag grau färbt und deine Nächte qualvoll macht, geh zur Arbeit, zu der herben, tüchtigen Frau, sie wird dich mit so klaren Augen anschauen, mit so morgenheller Stimme zu dir sprechen, daß du das Haupt hochheben und tief atmend einen frischen Luftstrom des Lebens einsaugen wirst; bist du einem Irrlicht nachgegangen und auf sumpfigem Pfad von Schlingpflanzen tiefer Verzagtheit umschlungen worden, rufe die Arbeit, die tüchtige Frau, sie wird dich mit derber Hand herausziehen aus deiner Bedrängnis und dich wieder auf eine feste Straße stellen; hast du Güter verloren, welcher Art es immer sei, wende dich an die Arbeit, die reiche Frau, die leere Taschen und leere Herzen immer neu zu füllen vermag; sind dir alle Unterhalterinnen des Lebens überdrüssig geworden, laß die Arbeit an deinem Tisch sitzen bis zum letzten Tag deiner Kraft! Denn sie ist deine beste Freundin; sie schützt deine Gesundheit, sie stärkt deine Muskeln; sie würzt dir das Mahl und salzt es, daß es nicht faule; sie spricht dir alle Tage aufmunternde Worte über deinen Wert ins Ohr und hütet dich doch vor Übermut durch kleine und große Mißerfolge; sie gibt dir für deine Feste das rechte Lachen mit, sie schenkt dir zu deinem Becher den rechten Durst und schließt dir alle Abende mit leisem Finger die Lider!
    So bin ich durch die Arbeit über meine Zweifel und Leiden hinweggekommen, so sind meine Eigenwünsche still geworden und wie kleine Heimatbächlein hineingerieselt in den großen Strom des Willens zum Dienst der Allgemeinheit.
    Von dem lasse ich mich tragen. Manchmal gluckst noch ein silbernes Stimmlein alter Sehnsucht auf; aber es verklingt, und ich freue mich der starken Alltagswelle, die mein Schiff trägt. Von den Patienten, die zu mir kommen und ihre Lebensbeichte vor mir ausbreiten, haben die meisten an der Liebe gelitten. Männer wie Frauen. Denn nicht immer sitzt auf dem Felsen am Fluß die Lorelei und in dem scheiternden Kahn unten der Mann; oft schwimmt die Lore unten, und der Mann sitzt oben, wenn er sich auch nicht sein »golden Haar« kämmt, sondern vielleicht nur einen schwarzen Bart streicht. Die Tragik ist immer die gleiche; der Kahn kippt um. Steht man dann als Leibes- und Seelenarzt am Ufer und wirft seinen Rettungsring aus, so ist das ein aufregendes, aber schönes Geschäft, und ich denke, nach und nach wird sich bei mir die Aufregung in eine milde Seelenheiterkeit umwandeln. Habe ich so ein pudelnasses Menschenkind, das im romantischen Rheinstrom der Liebe verunglückte, ans Land gezogen, so lasse ich es erst ein wenig zu Atem kommen und dann forsche ich es langsam aus, ob die (oder der), so auf dem Felsen gedudelt hat, nicht auch mancherlei Schwächen haben möge, und wird die Frage ein wenig zähneklappernd bejaht, so frage ich langsam weiter, bis sich ergibt, daß die (oder der), so auf dem Felsen gedudelt hat, eigentlich minderwertig, hingegen der (oder die), so in dem Kahn umkippte, wesentlich wertvoller sei, weshalb die ganze Unglücksfahrt eine Torheit gewesen, nach welcher man klüger geworden und gottlob ans feste Land und in trockene Kleider gekommen sei.
    In den meisten Fällen hilft meine Methode; sie führt durch das Türlein: »Er ist es nicht wert, daß ich mich opfere«, in den Garten der Gesundung.
    Einige Fälle sind hoffnungslos oder doch so schwerer Art, daß

Weitere Kostenlose Bücher