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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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malerisch geworfen, andere machen sich eine »ungarische Schürze« daraus, wieder andere einen Muff; Turbane um den Kopf werden ebenso geschickt aus dem Tuch hergestellt wie schlichte Nonnenschleier; einige tragen das zusammengelegte Tuch nur über dem Arm, und einige wenige greifen auf den ursprünglichen Zweck zurück, die schlagen das Tuch um die Schultern.
    Dr. Michael hat die Putzsucht der Frauen für eine unheilbare Krankheit erklärt. Ich bin nicht seiner Meinung. Diese Putzsucht ist keine Krankheit, sondern eine Naturnotwendigkeit; das Weib muß sich putzen, so wie sich das Kätzchen beschlecken muß.
    Neulich kam Piesecke zu mir, außerhalb der Sprechstunde. Er war noch erregter, als er sonst oft ist, und sprach zunächst eine Menge wirres Zeug durcheinander, aus dem hervorgehen sollte, daß er der unglücklichste Mensch der Welt sei. Ich unterbrach ihn.
    »Piesecke, ich glaube jedes Wort, was Sie sagen, aber sprechen Sie langsamer! Sprechen Sie recht gelassen! Sagen Sie mir ohne alle Umschweife, was los ist.«
    Er rang die Hände ineinander und jammerte:
    »Ach Gott, ich liebe sie, ich liebe sie!«
    »Wen? Mich?«
    »Ach, doch nicht Sie, sondern sie!«
    »Also Hanne vom Forellenhof.«
    »Woher wissen Sie . . .?«
    »Ich weiß es. Sie haben sich oft genug auffällig benommen.«
    »Und wissen Sie auch, daß sie fortzieht?«
    »Ja, morgen nachmittag. Sie hat ein gutes Engagement an ein Stadttheater bekommen.«
    »Ich ertrag’ es nicht; oh, ich ertrag’ es nicht. Sehen Sie, Herr Doktor, Sie können machen mit mir, was Sie wollen, Sie können der beste Arzt der Welt sein, Sie können hundert Sanatorien für mich bauen, wenn mich dieses Mädchen verläßt, bin ich verloren.«
    »Gruselig!«
    »Was sagten Sie?«
    »Gruselig!«
    »Herr Doktor, spotten Sie nicht! Diesen Verlust ertrage ich wirklich nicht; er bedeutet mein Ende.«
    »Dann wird in Ihrer Landeszeitung ein schöner Nekrolog über Sie erscheinen.«
    Er war empört. »Sie haben kein Herz für mich. Aber es ist gut, daß Sie von unserer Landeszeitung gesprochen haben. Schließlich bin ich doch ein Prinz!«
    »Hier nicht! Hier sind Sie Piesecke.«
    »Das weiß ich; aber ich vergesse nicht, was ich draußen bin. O nein! Sehen Sie, und das habe ich ihr gesagt.«
    »Was? Wem?«
    »Der Hanne habe ich gesagt, daß ich ein Prinz bin.«
    »Sie sind wohl verrückt geworden, Piesecke. Auf solche Indiskretionen steht die Strafe der Entlassung aus unserer Anstalt.«
    »Schimpfen Sie nicht, Herr Doktor; ich bin heute schon genug ausgeschimpft worden.«
    »Was hat denn Fräulein Hanne zu Ihrer Quasselei gesagt?«
    »Ausgelacht hat sie mich. Sie hält mich für einen Sargfabrikanten aus Hannover. Stellen Sie sich vor, Herr Doktor, ausgerechnet für einen Sargfabrikanten hält sie mich.«
    »Das Geschäft eines Sargfabrikanten ist ein sehr ehrbares.«
    »Ach Gott, nun sind Sie auch noch gegen mich. Und ich hatte meine ganze Hoffnung auf Sie gesetzt. Sie sollten ja Fräulein Hanne sagen, daß ich wirklich ein Prinz bin und daß sie ein Engagement an unserer Hofopfer annehmen soll.«
    »Was hätten Sie denn davon, wenn Fräulein Hanne in Ihrer Residenzstadt sänge und Sie inzwischen hier bei uns Dünger fahren müßten?«
    »Ich hatte gehofft, Sie würden mich für ein paar Wintermonate beurlauben.«
    »Daran denke ich nicht im Traume. Bis zum Mai bleiben Sie laut unserer Abmachung hier. Das entspricht auch ganz den Intentionen Ihres Herrn Bruders, des regierenden Fürsten.« Piesecke saß gebrochen vor mir.
    »Mit mir ist’s alle«, sagte er tonlos.
    »Mit Ihnen war es alle, mein Lieber, als Sie zu uns kamen. Inzwischen haben Sie sich aber bei uns einen ganz netten Fonds neuer Lebenskraft gesammelt.«
    Er schüttelte trostlos den Kopf.
    »Wohl bin ich gesundheitlich vorwärtsgekommen; aber das nützt mir alles nichts mehr - ich muß sterben. Es gibt Dinge, die ein Mensch nicht überwinden kann.«
    Ich stand auf.
    »Entschuldigen Sie, Piesecke, aber das Mittagessen wartet auf mich. Ich hab’ Hunger. Wenn Sie also aus dem Leben scheiden wollen, gehaben Sie sich wohl! Es freut mich, Sie mal kennengelernt zu haben. Mahlzeit!«
    Da faßte ihn der Zorn.
    »O nein, Herr Doktor, so entkommen Sie mir nicht! So mit einfach >Mahlzeit<, wenn es um mein Leben geht! Ich bin nicht mehr der willenlose Mensch, der ich im Mai war. Ich wehre mich meiner Haut. Und da muß ich Ihnen sagen, daß Ihr Sanatorium eine Mördergrube ist.«
    »J, der Dauz!«
    »Jawohl, Dauz! Ich werde Sie schon

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