Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
Mageninhalt noch untersuchen zu können – mal abwarten.«
Lundquist versuchte so flach wie möglich zu atmen.
»Es handelt sich, wie gesagt, um eine Frau. Über sechzig, wahrscheinlich sogar über siebzig. Wir haben sie geröntgt. Keine stumpfe Gewalt gegen den Schädel, keine Brüche oder erkennbaren Verletzungen. Nur alte, zum Teil schlecht verheilte Frakturen. Die Halswirbel sind ebenfalls unverletzt, kein gebrochenes Genick. Im Moment kann ich nur Vermutungen anstellen, und das bringt dich nicht weiter. Es gibt Indizien für eine Erstickung, aber um das zu belegen, muss ich mir ihr Gesicht genauer ansehen.«
Ihr Gesicht.
Lundquist zuckte heftig zusammen. Das, was unterhalb des Haaransatzes zu erkennen war, hatte kaum Ähnlichkeit mit einem Gesicht. Die Augen waren trübe, tief in die Höhlen gesunken, ihre Lippen entblößten einen weitgehend zahnlosen Kiefer, an der Nasenspitze waren Haut und Knorpel verschwunden und der Knochen freigelegt. Pergamentartig spannte sich die Haut über die knöchernen Strukturen und ließ das Gesicht wie einen Totenschädelwirken. Es kostete Lundquist Mühe, seinen Blick über den Rest des Körpers gleiten zu lassen. Die Fingerknochen endeten in langen Krallen. Er registrierte, dass einige von ihnen abgebrochen waren.
Dr. Mohl bemerkte das Stutzen des Hauptkommissars.
»Ja, wir haben das natürlich auch bemerkt. Sieht aus, als habe sie sich vehement gewehrt. Bestimmt hat sie den Täter erheblich verletzt. Interessant ist auch eine Stelle am unteren Rücken. Wir untersuchen das näher, es könnte sich dabei um einen ausgeprägten Dekubitus handeln. Das würde darauf hindeuten, dass sie längere Zeit bettlägerig war.«
»Dekubitus?«, Knyst runzelte die Stirn. »Das sind doch offene Wunden, die Menschen bekommen, die schlecht gepflegt werden, oder? War sie eine Patientin in einem Pflegeheim?«
»Das können wir nicht ausschließen. Freiwillig ist sie jedenfalls nicht gestorben, und dann in die Truhe geklettert«, gab der Rechtsmediziner zurück. »Ihr werdet geduldig auf unsere Ergebnisse warten müssen. Die Organe … nun, und die Körpermitte …«
»Ja, ich sehe schon«, fiel Lundquist Dr. Mohl hastig ins Wort. Gerade mit der geöffneten Körpermitte und ihrem schon verflüssigten Inhalt wollte er sich lieber nicht eingehender befassen. Es im Bericht zu lesen, würde ausreichen.
»Wir schicken noch heute einen ersten Bericht. Sagen wir am Nachmittag. Bis dahin kann ich euch sicher schon mehr sagen. Es ist, wie gesagt, etwas komplizierter als sonst.«
Sven Lundquist sah während der Fahrt nach Stenungssund aus dem Fenster und hing seinen eigenen Gedanken nach. Es war sinnlos, über die Umstände des Todes der Unbekannten zu spekulieren. Er wusste, dass ohne weitere Information keine Theorie entstehen konnte, die tatsächlich als Arbeitshypothese Bestand haben würde. Nicht einmal die Todesursache war bisher bekannt. Aber wer sollte nur auf die Idee kommen, eine Leiche auf dem Dachboden eines Ferienhauses zurückzulassen – niemand konnte doch ernsthaft glauben, sie würde dort unentdeckt bleiben?, überlegte er. Die Autopsie war noch nicht abgeschlossen. Lundquist war der Anblick von Toten ohnehin schon unangenehm genug, aber wenn er bei einer Öffnung zusehen musste, kam er sich immer wie ein Frevler, wie ein Leichenschänder vor.
Das würde ihm diesmal erspart bleiben.
Dr. Mohl schickte die beiden Ermittler an ihre Arbeit zurück.
Er meinte, direkt bei der Obduktion ergäben sich in diesem Fall wahrscheinlich keine konkreten Ergebnisse, sie müssten die Analysen abwarten.
Wirklich bedauerlich, dachte Lundquist, dass es noch keine weniger invasive Möglichkeit gab, den Toten Informationen über Todesursache, Todeszeitpunkt und vieles mehr zu entlocken.
Am Fenster zog der dunkle Tannenwald vorüber, der an manchen Stellen so dicht war, dass man zwischen den Stämmen nicht in die Tiefe blicken konnte. Hier wirkte er wie eine dunkle, undurchdringliche Wand. In solchen finsteren Waldarealen sangen keine Vögel, jagten sich keine Eichhörnchen und auch andere Waldtiere fühlten sich dort nicht wohl.
»Unheimlich!«, hatte Lisa gesagt. Sie glaubte fest daran, dass im Dunklen Trolle hausten, die neue ärgerliche Streiche ausheckten. Lundquist lächelte, als er an seine kleine Tochter dachte. Nicht nur Kinder glaubten an die Existenz dieser Waldgeister, die immer zu Abenteuern aufgelegt waren. Unzählige Geschichten beschäftigten sich mit diesen Wesen, mal mit
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