Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
ihre unterdrückte Wut, ihre Unzufriedenheit. Er war Schuld, da gab es keinen Zweifel. Bestimmt zwanzig Mal am Tag entschuldigte er sich mit Tränen in den Augen und genau so oft wurde ihm versichert, Krankheiten kämen nun mal uneingeladen und meist zum völlig falschen und unpassendsten Zeitpunkt. Aber all diese Versicherungen konnten sein schlechtes Gewissen nicht vertreiben.
Und dann dieses entstellte Aussehen! Damals lag er in der Dauerdämmerung, war froh darüber, dass ihn fast niemand besuchte, weil er sich wegen der roten Pusteln so sehr schämte.
Lundquist zuckte zusammen, als die Tür zu seinen Büro mit einem Ruck geöffnet wurde.
Ertappt fuhr er herum.
»Nanu – Lars! Ich dachte du wärst schon mit deinem bärigen Diplomaten bei Gitte!«
»Ja, eigentlich bin ich das auch. Aber uneigentlich wollte ich dich noch fragen, ob es etwas gibt, das wir besprechen sollten, bevor ich in die Arme meiner Liebsten eile und versuche, sie davon zu überzeugen, dass es sich trotz allem lohnt an mir festzuhalten. Immerhin hat sie mir erlaubtvorbeizukommen. Ein Hoffnungsschimmer also. Aber irgendetwas stimmt doch nicht mit dir – und behaupte jetzt bloß nicht wieder, ich würde mir das einbilden«, herausfordernd sah er seinen Freund an.
Lundquist ließ sich schwerfällig in seinen Schreibtischstuhl plumpsen.
»Kann sein, du glaubst, es wäre mir gar nicht aufgefallen, dass ich plötzlich immer mit dem Wagen fahren kann, du dir ständig über die Augen fährst, du dir Milch in den Kaffee kippst, du dauernd stolperst …«, unsicher verstummte Knyst und zog sich seinen Stuhl heran. Er setzte sich. Legte seine Unterarme auf die Oberschenkel und betrachtete angelegentlich seine großen, starken Hände. Schweigen machte sich breit, schob sich zwischen die Freunde und drängte sie auseinander, sein giftiger Schleier machte sogar das Atmen schwer.
»Okay. Wenn du nicht darüber sprechen möchtest, ist das schließlich auch völlig in Ordnung. Wahrscheinlich war es blöde von mir überhaupt zu fragen. Es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die versuchen, in die Privatsphäre anderer einzudringen. Es tut mir Leid.«
Knyst seufzte enttäuscht, strich sich die Hose über den Oberschenkeln glatt und stand dann entschlossen auf. »Geht mich ja auch wirklich gar nichts an«, murmelte er dann bedrückt, nahm sein Sakko von der kleinen Garderobe und klemmte sich den Teddy wenig rücksichtsvoll unter den Arm.
Die Hand schon auf der Klinke, verabschiedete er sich mit einem leisen ›Gute Nacht‹ und war fast auf dem Gang, als die leise Stimme von Sven Lundquist ihn zurückholte.
»Ich habe Multiple Sklerose.«
Die Worte waren kaum zu verstehen gewesen, es schien, als spräche Lundquist mehr zu sich selbst.
Ganz langsam kehrte Knyst in den Raum zurück, legte den Teddy achtlos auf seinem Schreibtisch ab und zog wie in Zeitlupe das Sakko wieder aus. Mechanisch hängte er es über den Bügel zurück in die Garderobe.
»Scheiße«, er spuckte das Wort förmlich aus, drehte sich dann zu seinem Freund um und flüsterte ein weiteres Mal »Scheiße, Mann!«.
Sie sahen sich schweigend an.
Lundquist konnte das Gefühl der Hilflosigkeit, das in Knyst aufstieg, körperlich spüren. Ich hätte es für mich behalten sollen, dachte er, doch einen Freund, der glaubte, er habe kein Vertrauen mehr zu ihm, wäre für ihn noch schwerer zu ertragen gewesen, als ein hilfloser Freund.
»Ziemlich egoistisch von mir, dich jetzt damit auch noch zu belasten. Gerade jetzt, wo du mit Gitte …« Lundquists Stimme klang brüchig.
»Seit wann weißt du das denn schon?«, fragte Lars betroffen ohne auf die Feststellung seines Freundes einzugehen.
»Seit ein paar Tagen.«
»Und wie …?«
»Lars, ich kann jetzt wirklich nicht! Versteh das doch! Ich kann jetzt einfach nicht!« Sven Lundquist schlug plötzlich die Hände vors Gesicht. Fassungslos starrte Knyst ihn einen Moment stumm an, dann trat er hinter ihn und legte ihm tröstend seine kraftvollen Hände auf die Schultern.
»Sie machen eine Therapie mit mir und mein Arzt ist zuversichtlich, dass es damit gelingen wird, die Krankheit zumindest aufzuhalten«, flüsterte Lundquist.
»Kann ich irgendetwas tun?«, Knyst kämpfte erfolgreich gegen die aufsteigende Verzweiflung, die konnte er jetzt nicht brauchen. Dazu war später noch Zeit, wenn er alleinwar. Er konnte aber nicht verhindern, dass seine Stimme belegt klang.
»Okay. Du kannst wirklich etwas für mich tun. Ich kann im Moment nicht gut
Weitere Kostenlose Bücher