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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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hier und sehen den Menschen beim normalen Leben zu. Manchmal lachen sie ganz laut. Das hört sich im ersten Moment ungewohnt an, aber man gewöhnt sich schnell dran.«
    Ich sehe mir diese Kinder näher an und frage mich, warum man hier, vor ihren Augen, diese Vergnügungsbälle aufgebaut hat. Doch wohl unmöglich aus Hohn? Aber aus Unachtsamkeit vielleicht.
    Die Kinder in ihren Bällen nehmen die Kinder in den Rollstühlen überhaupt nicht wahr, weil sie viel zu beschäftigt sind. Umgekehrt verhält es sich ganz anders.
    »Findest du das schlimm?«, fragt Martin, als er merkt, dass es mir die Sprache verschlagen hat.
    »Nein. Ich weiß nicht. Ich finde es seltsam. Findest du das nicht seltsam?«
    »Anfangs ja. Da fand ich es unmöglich und habe mich aufgeregt, aber dann hab ich angefangen zu zeichnen, und dabei ist mir aufgefallen, dass die Kinder in ihren Rollstühlen einen Mordsspaß dabei haben, diesem Kugeltheater hier zuzusehen. Fast wie Fernsehen.«
    »Das ist doch trotzdem merkwürdig, ihnen so etwas vor die Nase zu bauen.«
    »Aber nur, weil wir immer von uns selbst ausgehen. Für uns wäre es ganz schlimm, weil wir uns nicht vorstellen können, in einem Rollstuhl zu sitzen oder sonstwie beeinträchtigt zu sein, aber sie sind es nun mal.«
    »Das Leben ist ungerecht.«
    »Das Leben ist das Leben«, wirft Martin ein.
    »Wer bist du? Der Zen-Meister, oder was?«
    Martin lacht, nimmt mir das Skizzenbuch aus der Hand und packt es weg.
    »Willst du woanders hin?«, fragt er.
    Ich überlege kurz. Na gut, wenn das hier wie Fernsehen ist – wer wollte nicht schon mal im Fernsehen sein? »Meinst du, wir sind zu alt für diese aufgeblasenen Kugeln?«
    »Mit Sicherheit zu fett!«
    »Ach was!« Ich springe auf und steuere Richtung Wasserbecken. Martin sieht sich nach allen Seiten um, bevor er mir folgt.
    Der Kugelverleihmensch runzelt die Stirn bei unserem Anblick, kassiert aber trotzdem das Geld, das ich aus meinem Geldbeutel fische.
    Wir klettern etwas umständlich in diese durchsichtigen Riesenkugeln. Ich verrenke mir dabei fast meinen Arm. Bei den Kindern sieht das einfacher aus. Mit einer Art Staubsauger wird Luft in den Ball hineingeblasen, dass man sich die Ohren zuhalten muss vor lauter Lärm. Dann schubst der Aufseher mit einem gelangweilten Blick beide Kugeln in die Mitte des Beckens.
    Ich muss mich kurz an die Plastikluft im Innern gewöhnen. Martin legt gleich los, wirft sich gegen die weichen Wände und wird von der sich drehenden Kugel in der Gegend herumgeschleudert. Er ruft irgendwas, aber ich kann es nicht hören und schüttele nur mit dem Kopf. Martin macht Gesten, die mich zum Aufstehen bewegen sollen. Ich versuche es ja schon die ganze Zeit, verliere aber sofort das Gleichgewicht und plumpse wieder hin. Man sieht draußen das Wasser in alle Richtungen spritzen.
    Ich schaue kurz zu den Kindern im Rollstuhl. Und tatsächlich, sie lachen, jedenfalls einige von ihnen. Sie zeigen mit dem Finger auf uns und scheinen sich zu freuen. Ich nehme all meine Kraft zusammen und springe auf, falle sofort wieder hin, drehe mich in der Kugel und versuche, wieder aufzustehen, zu laufen, zu rennen, mich fallen zu lassen.
    Eine kleine Show für die Kinder auf der Terrasse.
    Nach wenigen Minuten bin ich schon völlig außer Atem. Martin klopft an das Gummi, schneidet Grimassen und sagt etwas, immer und immer wieder, und je mehr ich versuche, an seinen Lippen abzulesen, was er da sagt, umso mehr bilde ich mir ein, folgende Worte zu erkennen: I love you.
    Ich strauchle und falle hin. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
    Unmöglich!
    Das kann nicht das sein, was er sagt! Warum sollte er das tun? Völlig absurd!
    Ich würde gerne noch einmal hinsehen zu ihm, um mich davon zu überzeugen, dass ich wirklich spinne, aber ich kann nicht wieder hingucken, etwas hält mich zurück. Ich fühle das Blut in meinen Kopf steigen. Ich bleibe einfach sitzen, wackele noch ein wenig hin und her und spüre das Wasser unter meinem Hintern. Wie kann ich jetzt bloß so tun, als wäre nichts passiert? Andererseits, es kann nicht sein, dass er das gesagt hat. Und er kann auch nicht ahnen, was ich mir da in meinem kranken Kopf zusammenspinne. Von daher sollte ich mich am besten so verhalten, als sei nichts geschehen.
    Endlich werden wir an Seilen zurück an den Beckenrand gezogen und mit hochroten Köpfen wieder aus den Gummihüllen gelassen.
    »Das war doch was!«, schwärmt Martin ganz außer Atem, und ich nicke.
    Als wir uns die Schuhe wieder

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