Fern wie Sommerwind
revanchieren kann«, flüstert Ruth mir ins Ohr, denn da kommen sie schon um die Ecke gebogen, die Popcornjungs und der Eisverkäufer mit dem lädierten Gesicht.
Wir begrüßen uns überschwänglich, umarmen einander. Sogar James macht mit und lässt sein iPhone zu Abwechslung den ganzen Weg über in der Hosentasche stecken. Dieser Zwischenfall gestern im Wald, auch wenn er nicht schön war, hat uns ein Stückweit stärker zusammengeschweißt.
Am Strand trennen sich unsere Wege für die nächsten paar Stunden. Aber wir machen aus, besser aufeinander zu achten und die Würstchen im Auge zu behalten, so gut es nur geht.
Ich stapfe los, die Drachen auf den Rücken geschnallt, die Schultern mit Martins Wunderöl eingeschmiert, ein Tuch um den Kopf gebunden.
»Hey, Drachenmädchen!« Martin ist mir ein kleines Stück nachgelaufen.
»Ja?« Ich drehe mich zu ihm um, voller Hoffnung, dass er vielleicht mit mir zusammen laufen will.
»Pass auf dich auf«, sagt er aber nur, reicht mit ein Tütchen Popcorn aus seiner Tasche und macht wieder kehrt.
»Werd ich … auf mich aufpassen, meine ich. Und danke.« Ich bin total erleichtert, dass Martin tatsächlich wieder mit mir spricht. Ich weiß nicht, ob ich an seiner Stelle nicht tausend Jahre nachtragend geblieben wäre. In Zukunft muss ich besser darauf achten, welche Gedanken meinen Kopf verlassen und welche lieber für immer dort verschlossen bleiben.
Während ich vor mich hin lächelnd weiterlaufe, an den ersten potenziellen Kunden vorbei, fällt mir auf, dass mein Herz ein bisschen schneller schlägt als sonst. Aber bevor ich in mich hineinhören kann, kommen schon die ersten Kinder auf mich zugerannt, mit sonnengebräunten Gesichtern und bunten Badehosen, mit klebrigen Fingern und einem zahnlosen Lächeln.
»Einen Drachen für mich und einen für meine Schwester. Die liegt da drüben und traut sich nicht. Ich muss ihr auch noch zeigen, wie das geht. Weil sie ist ja noch klein. Also zwei Drachen. Bitte.«
ABENDS IN DER Dorfdisco herrscht gähnende Leere.
Wir saßen noch extra lange bei Dario, um nicht zu früh zu kommen, aber es hat nichts geholfen.
Absolut tote Hose.
Die Discokugel in der Mitte des Raums dreht sich träge und streut bunte Flecken auf die Terrakottafliesen. Die Musik ist furchtbar. Irgend so ein Dance-Zeug, und viel zu laut.
»Was habt ihr erwartet?«, wundert sich Rocco mit dem Matschgesicht und geht zur Bar, um Getränke zu ordern.
Die erste Runde Jägermeister zum Verdauen der Vier-Käse-Pizza.
Ruth und ich verziehen angewidert das Gesicht, nachdem wir das Glas auf Ex getrunken haben.
»Wow.« Die Jungs versuchen, ihre Drinks ganz cool runterzukippen, aber auch ihre Gesichter zucken.
»Wisst ihr, dass wir uns hier so richtig danebenbenehmen können, wenn wir wollen?« Rocco ist begeistert. »Ich meine, hier kennt uns echt niemand.
Ich muss schmunzeln. »Wieso möchtest du dich denn schlecht benehmen?«, frage ich und stelle unsere leeren Gläser wieder zurück auf das kleine Tablett.
»Ich weiß nicht, nur so, theoretisch meine ich. Man könnte vor die Theke kotzen zum Beispiel.« Er bläht seine Wangen und tut so, als würde es ihm wieder hochkommen.
»Der erste Schnaps und du muss schon kotzen?«, lacht Martin.
»Deine Mutter vielleicht!« Rocco fuchtelt gangstermäßig mit seinen Händen vor Martins Gesicht herum.
»Uh! Muttersprüche! Wie originell!« James schüttelt den Kopf. Wieder mal.
Ruth besorgt derweil die zweite Runde. Diesmal Tequila.
»Das kann was werden«, stöhne ich, lecke mir das Salz vom Handrücken, kippe das Glas wieder auf Ex und beiße in die Zitronenspalte.
Ich fühle den Alkohol durch meine Brust strömen und die Wärme in meine Wangen steigen. Langsam wird es lustig. Ich schaue rüber zu Martin. Für heute Abend hat er auf sein Matrosen-Shirt verzichtet. Er trägt eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Schon wieder muss ich auf seine Hände starren. Auf seine schlanken Finger, mit denen er den Takt auf der Holztheke mitklopft.
Ich stehe vom Hocker auf und zupfe an meinem Rock rum, probiere zur Musik ganz leicht meine Hüften zu schwingen, den Kopf, die Arme. Ruth folgt meinem Beispiel. Wir gehen noch schnell zur Bar, Ruth bestellt zwei Jägermeister, und dann stürmen wir die Tanzfläche. Wir drehen uns ein paar Mal im Kreis, hüpfen auf und ab, werfen die Köpfe nach hinten. Die Musik ist wirklich das Letzte, aber wir versuchen das Beste draus zu machen. Nicht sexy,
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