Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
Vom Netzwerk:
nicht sinnlich, nicht schön. Sondern impulsiv und wild und schräg. Die Haare fallen uns ins Gesicht.
    Die paar Discobesucher schauen irritiert und flüstern sich Sachen ins Ohr. Als Rocco das bemerkt, schließt er sich uns beiden an, packt Ruth und mich an den Händen und wirbelt uns über die Tanzfläche. Erst die eine, dann die andere. Ich lache und sehe rüber zu Martin, der auf die Bar zusteuert, um die nächste Runde auszugeben.
    Schnell löse ich mich von der Tanzfläche und stelle mich zu ihm.
    »Wenn wir in diesem Tempo weitertrinken, könnte das gefährlich werden«, keuche ich.
    »Für wen?« Er reicht mir das nächste Glas.
    »Ich weiß nicht. Für alle? Für mich vielleicht?« Ich rieche an der hellbraunen Flüssigkeit, nippe vorsichtig dran und stelle das Glas zurück auf den Tresen. Ich bin die Einzige aus unserer Gruppe, die noch nicht achtzehn ist. Hoffentlich kommt der Barmann da nicht bald drauf.
    »Sollen wir auf dich aufpassen?« Martin wirkt leicht besorgt, als fände er mich irgendwie komisch, blöd, mädchenhaft. Verdammt! Er hat mich nicht verstanden. Ich hätte mal wieder lieber meinen Mund halten sollen. Warum passiert mir das bei ihm ständig?
    »Nein. So habe ich das nicht gemeint«, versuche ich klarzustellen.
    »Was meinst du dann?« Er lässt nicht locker.
    Oh Gott, ich wollte nur einen Spruch machen, irgendeinen. Alkohol, er und ich … gefährlich. So in etwa. Was für ein kümmerlicher Flirtversuch!
    »Vergiss es!«, sage ich voller Scham und laufe zurück auf die Tanzfläche, weil mir das als kleineres Übel erscheint. Besser, als mich um Kopf und Kragen zu reden.
    Der DJ wechselt den Musikstil, rüber zu Schlager. Ganz ohne Übergang. Schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr werden. Erstaunlicherweise füllt sich aber die Tanzfläche mit Leuten. Glitzerröckchen und Sportschuhe, rosa Lippenstift und karierte Hemden. Rocco, Ruth und ich werden an den Rand gedrängt. Die Einheimischen erobern sich ihre Tanzfläche zurück. Wir versuchen noch, mit unserem Tanzstil aus dem Rahmen zu fallen, Aufsehen zu erregen, aber keiner achtet mehr auf uns. Genug Freakshow für den heutigen Abend. Versunken in süßliche Texte, schunkeln sich die anderen zufrieden in andere Sphären und wollen sich von uns Möchtegern-Rebellen mit Sicherheit nicht die Laune verderben lassen.
    Also holt Rocco lieber den nächsten Schnaps an der Bar ab.
    »Ich bin betrunken«, kichert Ruth und hakt sich vorsichtshalber bei mir unter. James sieht uns prüfend an. Er scheint immer irgendwie über den Dingen zu stehen, nie ist er hundert Prozent bei etwas dabei. Immer nur wie ein Zuschauer. Gerade jetzt geht mir das voll auf die Nerven.
    »Auf Dorfdiscos!«, rufe ich deshalb übertrieben aufgedreht.
    »Auf nie wieder Dorfdiscos!«, kichert Ruth und verschüttet den halben Schnaps.
    »Auf guten Musikgeschmack!«, schlage ich vor.
    »Auf schöne Ladys!« Rocco. Klar.
    »Auf unerwartete Gefahren!« Martin sieht mir in die Augen, aber ich weiche seinem Blick aus.
    Wir stoßen an und kippen dieses furchtbar brennende Zeug runter.
    Neue Leute kommen hereingeströmt, besetzen die Tanzfläche, belagern die Bar. Jetzt geht die Party richtig los. Zwischen den Neuankömmlingen sind auch drei von den Würstchen, mit frisch gebügelten Hemden und viel zu viel Gel im Haar. Sie schauen kurz in unsere Richtung, tun aber so, als hätten sie uns nicht gesehen, und nehmen dann am anderen Ende des Raums an einem Ecktisch Platz.
    »Die haben echt Nerven!«, presst Martin gereizt hervor.
    »Vergiss die! Wirklich.« Rocco winkt ab, als ob das alles harmlos wäre. »Bringt ja nichts.«
    »Vielleicht doch. Vielleicht sollten wir denen geben, was sie verdienen.« Irgendwie ist das komisch, wie er sich da reinsteigert. Passt eigentlich gar nicht zu ihm.
    »Komm schon runter, Mann.« James holt Martin wieder auf den Boden zurück. »Meinst du, die haben Angst vor dir?«
    Martin ist frustriert, fummelt nervös an seinen Armbändern rum und blickt wieder zum Ecktisch rüber.
    »Komm schon! Verdirb uns jetzt nicht die Laune.« Rocco legt ihm den Arm um die Schulter und reicht ihm sein halb volles Glas.
    Ich muss auf Toilette. Der ganze Schnaps setzt mir schon ganz schön zu. Ich trinke eigentlich eher selten, manchmal ein Bier auf einer Party, höchstens zwei.
    In meinem Kopf dreht sich alles, und als ich vom Klo aufstehe, schwanke ich etwas. Am Waschbecken benetze ich meine Stirn mit kaltem Wasser. Ich sehe blass aus in dem grellen Licht, meine

Weitere Kostenlose Bücher