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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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Haare sind ganz wirr vom Tanzen. Ich rücke die Träger meines Tops zurecht, richte mich auf. Mehr Alkohol rühre ich heute besser nicht an.
    Als ich die Toilette verlasse, verstellt mir in dem engen Flur ein Mann den Weg. »Warte mal kurz«, sagt er und streckt die Hand nach mir aus. Ich weiche sofort zurück.
    Ich habe ihn schon mal gesehen. Wo bloß? Am Strand?
    Er ist schon älter, bestimmt um die vierzig. Trägt ein rot-grün kariertes Hemd und unvorteilhafte Shorts. Männer mit kurzen Hosen gehen sowieso überhaupt nicht!
    »Ich würde gern durch.« Meine Stimme kippt ein wenig. Wahrscheinlich auch wegen dem Alkohol.
    »Ich will dich nur was fragen.« Der Typ kommt einen Schritt auf mich zu.
    »Meine Freunde warten auf mich.« Ich merke, wie ich verkrampfe und meine Hände sich zu Fäusten ballen.
    »Ich habe dich beobachtet. Vorhin, auf der Tanzfläche. Ich mag, wie du tanzt.« Er lehnt sich mit einer Hand gegen die Wand, sodass ich nicht an ihm vorbei kann.
    »Danke«, sage ich knapp und versuche, unter seinem Arm vorbeizuschlüpfen. Aber der Typ schiebt seinen Körper vor und greift nach mir, sodass ich wieder zurückweiche.
    »Und am Strand. Da hab ich dich auch beobachtet. Da konnte ich bloß nichts sagen, weil ich mit meiner Familie in dieser verdammten überhitzten Strandmuschel saß.«
    »Ich möchte jetzt gerne gehen.« Die Situation wird langsam brenzlig.
    »Weißt du, wie das ist?« Er beugt sich zu mir vor, eine Mischung aus Rasierwasser und Bierdunst steigt mir in die Nase. »Da sitzt man mit seiner Familie … Oh Mann, ich liebe meine Familie, aber manchmal ist das auch ein bisschen viel. Mama hier, Papa da. Sandburgen und so ein Scheiß. Und meine Frau ist auch nicht mehr die frischeste, wenn du verstehst. Sie ist jetzt halt Mutti. Und dann läufst du da vorbei in deinen sündhaft kurzen Jeans. Mann, da muss man sich schon sehr beherrschen. Ist das überhaupt erlaubt, so kurze Jeans zu tragen?« Seine glasigen Augen bleiben an meinem Körper hängen.
    Warum kommt bloß keiner vorbei? Warum muss ausgerechnet jetzt niemand auf Toilette?
    Mir wird kalt und heiß, alles auf einmal, und dazu noch unglaublich schlecht. Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn und mein Puls rast. Ich könnte zurück auf die Toilette rennen, aber dann könnte er mir nachkommen, und von drin hört mich bestimmt keiner.
    »Ich werde schreien«, kündige ich an.
    Aber der Typ grinst nur. »Hey, bleib mal schön locker! Ich mach doch nichts, ich würde nur so gerne einmal deinen knackigen Hintern berühren.« Er macht einen Schritt auf mich zu. Ich weiche zurück und knalle mit dem Rücken an die Wand. Am liebsten würde ich die Augen schließen, um sein Gesicht nicht mehr zu sehen, doch ich blicke ihn weiter an, damit er es nicht wirklich wagt, mich zu berühren.
    Aber er tut es trotzdem, streckt die Hand nach mir aus und bläst mir seine Fahne ins Gesicht.
    »Hey!«, höre ich Martins Stimme vom anderen Ende des Flurs rufen. Gott sei Dank!
    Der Typ dreht sich um, und ich nutze die Gelegenheit, mich an ihm vorbeizudrängen, so schnell ich kann. Verdattert streckt er noch einmal seine Hand nach mir aus und streift dabei meine Brust. »Geile Titten!«, höre ich ihn noch zischen, bevor ich die Tür der Disco aufstoße und mich an die frische Luft rette.
    Martin kommt sofort hinterhergelaufen. Er legt seine Hand auf meine Schulter, aber ich stoße sie zur Seite und renne weg, renne wie eine Wahnsinnige und bekomme furchtbares Seitenstechen davon.
    Doch ich laufe weiter, an dem kleinen Waldstück vorbei, wo ich die Hand vor den Augen nicht mehr sehe, weil es so dunkel ist. Immer geradeaus, hin zum rauschenden Meer.
    Ich kann Martin hören, wie er völlig außer Atem hinter mir her rennt.
    Am Strand endlich lasse ich mich in den Sand fallen. Martin bleibt ein paar Meter neben mir stehen, ich spüre seinen Blick.
    »Geh weg!«, schreie ich in seine Richtung.
    »Nein.« Er bleibt weiter an seinem Platz, geht in die Hocke und starrt das dunkle Meer an.
    »Geh weg! Ich möchte heulen!«, rufe ich ihm verzweifelt zu.
    »Dann heul!«, schreit er zurück.
    »Ich will nicht, dass du das siehst!« Ich wende mich von ihm ab.
    »Ich seh sowieso nichts, ist viel zu dunkel. Heul endlich!«
    Was ist bloß los mit diesem Martin?
    Ich will heulen, wirklich. Ich warte darauf, dass sich die Tränen endlich lösen. Aber stattdessen muss ich plötzlich lachen.
    »Heulst du jetzt?«, fragt Martin und kommt ein Stück näher.
    Ich schüttele nur

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