Fern wie Sommerwind
schaukeln, aber als ich näher rangehe, meine Augen zusammenkneife, um besser sehen zu können, sind es keine Möwen, sondern weiße Perserkatzen mit feuerroten Augen. Sie grinsen frech. Ich wende mich verunsichert ab und da steht auf einmal Max hinter mir. Ich stoße mit ihm zusammen. Ich will wegrennen, aber meine Füße sind im Sand versunken, bis zu den Knöcheln, und ich komme nicht von der Stelle.
Plötzlich ist Max nicht mehr Max, sondern Rocco, und ich bin erleichtert, falle ihm um den Hals.
»Darf ich dich küssen?«, fragt er, und ich möchte schrecklich gerne, aber da sehe ich Ruth und Martin von Weitem auf uns zukommen. Sie halten sich an den Händen. Auf einmal ist auch James da.
Ich fische so eine Perserkatze aus dem Wasser und stecke sie in meine Tasche.
»Für Irmi«, erkläre ich, aber keiner hört zu. Die Katze strampelt und schlägt ihre Krallen in meine Oberschenkel.
Plötzlich knutscht Ruth mit Martin und Rocco mit James.
»Und ich?« Ich werde weinerlich. Ich versuche, Martin und Ruth zu trennen, will sie auseinanderschieben, aber die scheinen zusammenzukleben. Um Aufmerksamkeit zu erregen, fange ich an, mich auszuziehen. Wie eine Frau im Stripclub, aber so recht mag es mir nicht gelingen. Ich fühle mich steif und denke ständig: Die Cellulite! Die Cellulite! Dann stehe ich bis zur Hüfte im Wasser und um meine Beine kreisen schlangenähnliche Fische, vielleicht Aale, weshalb ich mich nicht bewegen kann. Neben mir steht Martin. »Lass uns von hier verschwinden!«
»Ja?«
»Ganz, ganz weit weg.« Er zeigt mit seinem Finger zum Horizont.
»Ich kann nicht. Ich will, aber ich kann nicht.« Ich versuche ihm das zu erklären und deute auf die Fische im Wasser, aber er sieht gar nicht hin.
»Du willst nicht.« Er hat einen ganz kalten Blick.
»Nein!«, protestiere ich.
»Das tut mir leid. Du tust mir leid!« Er wendet sich von mir ab.
Und da bin ich wieder alleine, immer noch im Wasser und von weiter hinten kommt etwas angeschwommen, etwas Großes, etwas Dunkles …
Ich wache schweißgebadet auf, mein Atem geht schwer. Im Kopf dreht es sich wieder. Ein anstrengendes Schnapskettenkarussell. Es ist spät in der Nacht, kurz vor vier. Ich klettere aus dem Bett und öffne das Fenster, um frische Luft reinzulassen. Dann mache ich leise das Radio an, ganz leise, damit Irmi nicht aufwacht. Ich zünde eine Kerze an. Die Mücken schwirren heran. Ich puste die Kerze wieder aus. Die frische Luft hilft kaum, es bleibt schwül. Ich wünsche mir eine Zigarette herbei. Funktioniert natürlich nicht. Besser so. Wahrscheinlich würde mir davon nur übel werden.
Was für ein merkwürdiger Traum. Eigentlich müsste ich ihn aufschreiben, denn morgen früh ist er wieder vergessen, spätestens am Nachmittag. Ich brauche mich in Traumdeutung nicht auszukennen, um die Symbolik zu verstehen. Meine ganzen Ängste. Martin. Immer wieder Martin.
Aber wofür stehen Perserkatzen?
Bestimmt was Sexuelles. Alles ist immer sexuell. Mir fällt der Typ aus der Disco wieder ein und kurz wird mir schlecht. Was er über seine Frau gesagt hat, das war das Letzte. Weiß seine Frau, was für einen schmierigen Typen sie geheiratet hat?
Und sollte ich aufhören die kurzen Jeans zu tragen? Wäre das auch ohne diese Jeans passiert? Ich habe nicht einmal gedacht, dass es sexy sein soll, es war einfach praktisch, wegen der Hitze. Aber jetzt weiß ich es besser.
Warum wird alles plötzlich so kompliziert?
Ich lege mich wieder ins Bett, ziehe die dünne Daunendecke bis zum Kinn, denn obwohl es warm ist, zittere ich plötzlich. Ich schließe die Augen. Das Karussell dreht sich. Ich öffne sie wieder. Vielleicht sollte ich mich doch übergeben gehen, aber ich kann mich nicht aufraffen. Im Radio läuft ein alter Titel von Guns’n’Roses. Irgendeine von den vielen Balladen. Ich lausche auf die Gitarre, summe mit, summe mich zurück in den Schlaf.
Endlich.
Keine Träume mehr.
NACHDEM ICH MICH frühmorgens aus dem Bett geschleppt habe, streiche ich mir vor dem Badezimmerspiegel über die Schläfen. Meine Augen sind ganz klein und überhaupt sieht mein Gesicht völlig verquollen aus. Schon wieder Kopfschmerzen. Selbst schuld. Nur gut, dass ich heute frei habe.
Keine Drachen, keine Kilometer am Sandstrand, kein Wechselgeldzählen. Und ganz besonders keine Typen, die mit ihrer Familie in überhitzten Strandmuscheln sitzen und meine Beine anstarren.
Der Kaffeeduft aus der Küche steigt zu mir herauf und ich höre Irmi vor sich hin
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