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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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doch anfangen zu dämmern! Gleich …

DIE QUITTUNG DES Ganzen ist natürlich, dass ich am nächsten Tag nicht nur mit furchtbaren Kopfschmerzen, sondern auch mit Husten im Bett liege. Ich musste mich für den heutigen Tag bei Max krankmelden. Der war natürlich alles andere als erfreut, glücklicherweise musste ich mir sein Gemecker nur am Telefon anhören.
    »Und das im Hochsommer«, stöhne ich, während Irmi mir eine dampfende Hühnerbrühe auf den Nachttisch stellt.
    »Das ist, weil ihr jungen Leute nie wisst, wann es gut ist.« Sie streicht mir Haare aus der Stirn.
    »Stimmt.« Ich nippe an der Brühe.
    »Aber keine Sorge. Ich verstehe das.«
    »Ja?« Ich bin froh, dass Irmi nicht böse ist. Wir sind erst im Morgengrauen heimgekehrt, sie war schon wach, begrüßte mich aber, als wäre nichts gewesen, und ließ mich dann ohne Fragen zu stellen in mein Zimmer raufgehen.
    »Na, ich war ja auch mal jung!« Irmi zieht demonstrativ die Falten in ihrem Gesicht glatt.
    »Natürlich warst du jung.« Ich lache und muss dann gleich wieder husten. »Darf ich dich was fragen? Etwas Persönliches?« Ich beuge mich im Bett vor. »Hattest du viele Verehrer?«
    Irmi lacht aus vollem Halse, so habe ich sie noch nicht lachen gehört. Sie kriegt sich gar nicht mehr ein und steckt mich damit an.
    »Hab ich was Blödes gesagt?«
    »Nein, gar nicht, Liebes. Lass mich nur mal durchatmen.« Sie setzt sich auf die Bettkante und lächelt verschmitzt. »Ja, das kann man wohl sagen. Ich hatte viele Verehrer.«
    »Wusste ich es doch!«
    »Aber ich hatte keinen Mann.« Irmi rutscht noch ein Stück weiter ins Bett und lehnt sich an die Wand.
    »Niemals?«
    »Niemals! Jedenfalls nicht für lange. Ich bin in der damaligen Zeit wohl das gewesen, was man heutzutage als Single bezeichnet. Kein schönes Wort finde ich.«
    »Warst du nie verliebt?« Ich staune.
    »Tausendmal!« Jetzt kichert sie sogar.
    Wer hätte das gedacht? Diese kleine, faltige, nach Puder riechende Frau. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es damals so zugegangen ist. Vor wie vielen Jahren? Fünfzig?
    Irmi steht ächzend auf. »Aber jetzt reicht es mit den Geständnissen! Ich habe unten noch einiges zu erledigen.«
    Ich kuschele mich in die Decke ein und fühle, wie die Brühe von innen ihre heilende Kraft entfaltet. Irmi, eine überzeugte Singlefrau also. Das passt so gar nicht zu dem Bild, das ich mir von diesen ganzen alten Menschen gemacht habe: brave Ehe- und Hausfrauen, und die Männer mit so hässlichen Aktentaschen und schrecklichem After Shave und einem vergrämten Gesicht. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, dann wusste ich schon die ganze Zeit, dass Irmi anders ist als alle anderen alten Menschen, die mir bisher so über den Weg gelaufen sind. Sie ist jemand Besonderes. Und sie scheint sehr zufrieden mit sich, so ganz alleine …
    Zehn Minuten bevor der Wecker klingelt, ist Nora schon wach, wie immer.
    Diese innere Uhr ist phänomenal, aber auch nervig. Nora kann sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal länger als bis um acht geschlafen hat.
    Sie dreht sich auf die Seite und erst auf den zweiten Blick erkennt sie, dass unter der Decke ein Büschel schwarzer Haare hervorlugt. Ah ja. Da war ja was. Gestern im Club bei den Balkan-Beats. Nora hatte ihre Hüften geschwungen, das kann sie von Party zu Party professioneller, und da war er plötzlich aufgetaucht, Jonas oder Jona oder Joshua. Er legte ihr die Hand um die Taille und wich den ganzen Abend nicht von ihrer Seite. Sie lud ihn auf einen Drink ein und er sie auf zwei weitere. Die Stimmung war super und als sie später in ihre Wohnung gingen, passierte das ganz selbstverständlich. Ein wenig verschwommen bleibt die Nacht trotzdem und Nora zieht vorsichtig die Decke zur Seite, um einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. Aber ein Glück! Kein böses Erwachen. Er sieht gut aus, sympathisch, lieb, ein bisschen wie Jake Gyllenhaal.
    Nora steigt vorsichtig aus dem Bett und geht in die Küche, um Kaffee aufzusetzen und Brötchen im Ofen aufzubacken. Ein wenig Mühe kann man sich schon machen.
    Die letzten Wochen waren turbulent, was Männer anging. Sie ist kein Flittchen, nein, wirklich nicht, aber wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, da trifft man so viele schöne und interessante Menschen, dass es eine Schande wäre, sie nicht näher kennezulernen. Nur das Leben mit ihnen teilen, das will Nora nicht. Sie liebt ihre kleine Ein-Zimmer-Wohnung mit den schweren Cocktailsesseln und dem Tisch

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