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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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gut. Ich habe dir nämlich ein Geschenk mitgebracht.« Er lächelt verschmitzt. »Schließ die Augen!«, fordert er mich auf.
    »Oje«, seufze ich und lege mir die Hand quer über die Augen.
    Ich höre, wie Martin die Treppe runterläuft und das Gartentor öffnet. Irgendwas quietscht. Das Tor wird wieder geschlossen. Die Treppe knarrt unter Martins Schritten. Ich halte es nicht mehr lange aus, überlege schon, ein bisschen zu schummeln, aber da fühle ich schon Martins Hand auf meiner Schulter. »Nicht spicken!« Seine andere Hand löst meine ab und schiebt sich über meine Augen. Vorsichtig führt er mich die Treppe runter. Seine Berührung bringt mich durcheinander. Ich muss daran denken, was Ruth gesagt hatte, das mit dem Heiratsantrag. Ich habe keine Schuhe an und spüre das Gras unter meinen Füßen, außerdem Martins Atem in meinem Nacken. Ich bekomme eine Gänsehaut und hoffe, dass er es nicht bemerkt.
    »Tadaah!« Martin reißt seine Hand von meinen Augen, und da steht es, direkt vor mir – das knallrote Fahrrad.
    Mein Herz macht einen Sprung, mein Mund öffnet sich, wie um ein Laut auszustoßen – ein Ah! oder Oh! oder auch Wow! – , aber es kommt nichts. Ich bleibe einfach so stehen.
    Martin sieht mich an und strahlt über das ganze Gesicht. »Gut, oder?«
    »Unglaublich! Wo hast du das her?« Ich spüre, wie meine Wangen vor Aufregung ganz rot werden.
    »Es ist nun nicht gerade schwer, ein solches Rad zu besorgen. Rote klapprige Fahrräder sind voll das Klischee. Kriegst du an jeder Ecke hinterhergeschmissen.«
    »Glaub ich nicht. Mir hat noch nie jemand so ein Fahrrad hinterhergeschmissen.« Ich streiche begeistert über den Lenker.
    »Doch. Jetzt.« Er pult schnell noch ein Stück Lack ab, der an einigen Stellen abblättert.
    »Das zählt aber nicht wirklich. Oder doch?« Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Martin sich gemerkt hat, was ich ihm am Lagerfeuer erzählt habe – zumal wir betrunken waren.
    »Jetzt hör schon auf, darüber zu philosophieren, und steig endlich auf!« Martin macht eine einladende Geste Richtung Sattel und drückt gleichzeitig die Klingel.
    Kurz zögere ich noch, aber dann endlich steige ich auf. Martin schwingt sich auf den Gepäckträger.
    »Hey! Was wird das?«, rufe ich, verliere sofort das Gleichgewicht und muss mich schnell mit einem Fuß am Boden abstützen, damit wir nicht umkippen.
    »Das ist ja wohl das Mindeste, dass ich hier mitfahre!«, protestiert Martin, und gibt sich Mühe, das Rad wieder in Position zu bringen.
    Ich öffne das Tor und schlingere auf die Straße hinaus. Fast fahre ich ein innig umschlungenes Pärchen über den Haufen, in letzter Sekunde kann ich noch ausweichen.
    »Heilige Scheiße!«, entwischt es mir und Schweißperlen treten auf meine Stirn. Ich trete mit voller Kraft in die Pedale, komme langsam in Fahrt, und obwohl Martin hinten auf dem Gepäckträger absichtlich wackelt, muss ich lachen – seltsamerweise sind die Halsschmerzen und der Husten verschwunden. Der Schal weht romantisch im Fahrtwind.
    »Du fährst wie ein Henker!«, ruft Martin von hinten.
    »Du bist einfach mal schwer! Viel schwerer, als du aussiehst!«, pöbel ich zurück.
    »Ich gebe mir Mühe! Guck!« Ich drehe mich kurz zu ihm um und er zieht demonstrativ den Bauch ein.
    »Ich gebe mir auch Mühe!«
    »Vielleicht. Aber deine Kondition ist erbärmlich! Was fahren wir hier? Fünf Kilometer die Stunde?«
    »Halt den Mund, oder du kannst zu Fuß weiter!«
    »Schon gut, schon gut. Ich bin ganz still!« Er legt seine Hände um meine Hüfte.
    Ich steuere auf den Strandweg zu. Das Rad klappert, so wie es sich gehört, und ich fühle die Glückshormone durch mich hindurchsausen. Schon wieder!
    »Danke!«, rufe ich noch, und dann bleiben die Räder plötzlich im Sand stecken, das Fahrrad kippt und Martin hilft noch nach, indem er sich zur Seite fallen lässt. Da liegen wir, jeder auf einer Seite und das Fahrrad zwischen uns.
    »Cool!«, lache ich und schnappe nach Luft.
    Wir bleiben kurz liegen, weil es so schön ist, weil der Sand warm ist und kitzelt und weil die Badegäste uns amüsiert angucken, so als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass du nicht Radfahren kannst, hätte ich noch Fahrstunden organisiert.« Martin rückt zu mit heran und streicht den Sand von meinen Schultern. Ich beuge meinen Kopf nach vorne, schließe die Augen und wünsche mir, dass die Zeit jetzt einfach mal stehen bleibt. Bitte.
    Auf dem Rückweg schiebt Martin

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