Fern wie Sommerwind
interessante Begegnungen. Ich wäre gerne in den Salon reingegangen, hätte mich mit einem Kaffee in einen der gemütlichen Sessel gesetzt und gelauscht, worüber diese Künstler so reden.
»Raus aus dem Bett Prinzessin! Wir sind sowieso schon spät dran.« Oliver greift sich Noras Beine und schleift sie aus dem Bett, bis sie mit ihrem Hintern auf dem dunklen Parkett landet, was sich irgendwie unschön anhört.
»Mann!«, ist das Einzige, was aus ihr rauskommt. Es hat nicht viel Sinn zu protestieren, schließlich war sie diejenige, die auf diese Veranstaltung heute bestanden hat. Oliver war dagegen. Er mag den Salon, aber er findet, man sollte den nicht so oft machen. Eher nur zwei Mal im Jahr. Wegen des exklusiven Charakters. Aber Nora macht das jede Woche.
»Das ist total inflationär!«, mault er dann. Nur – es ist Noras Wohnung und auch ihr Konzept, und wenn er mitmachen will, bitte sehr, wenn nicht, kann er ja in der Zeit seine Mutter besuchen gehen. Aber dann bleibt er trotzdem immer, weil er es im Grunde liebt. Oliver wohnt hier zur Untermiete und schreibt Kurzgeschichten. Beim Salon hofft er immer, jemanden zu treffen, der jemanden kennt, der wieder jemanden kennt, der ihm irgendwelche Verlags-Connections besorgen könnte. »Schreib doch einen Blog«, schlagen sie ihm oft vor, aber dafür ist sich Oliver zu fein und außerdem zu altmodisch.
Zum Salon kommen ganz verschiedene Leute. Am Anfang waren sie zu fünft und dann brachte jemand jemanden mit und plötzlich waren es zwölf, und dann lief alles über Mundpropaganda. Die meisten, die kommen, sind nett. Viele völlig durchgeknallt. Schriftsteller, Maler, Musiker, ab und zu Schauspieler. Die Schauspieler gehören zu der unsympathischsten Sorte, weil sie sich so sehr bemühen, im Vordergrund zu stehen und den ganzen Abend auch dort zu bleiben. Das ist im besten Fall anstrengend.
Nora ist die Gastgeberin. Das ist eine schöne Aufgabe. Sie kümmert sich um das Essen und um die Sitzgelegenheiten, zündet Kerzen an und legt Bücher auf den Tisch oder Fotos, auch Kleber und Stifte, falls jemand kreativ werden möchte. Sie stellt die Menschen einander vor, meist mit kleinen Anekdoten, und schmeißt ab und zu Gesprächsthemen in die Runde. Die müssen nicht immer mit Kunst zu tun haben, aber schlussendlich landet man früher oder später immer da.
»Würstchen im Schlafrock, Eier mit Mayonnaise, Sushi, gegrilltes Gemüse, Käseplatte und frisches Brot«, zählt Nora auf und zieht sich dabei Klamotten über. Oliver notiert alles auf den Zettel und verlässt dann eilig die Wohnung. Oliver ist für die Einkäufe zuständig. Das liebt er. Ist Nora ein Rätsel, aber sie fragt nicht weiter nach. Sie ist dankbar, dass er ihr diese Aufgabe abgenommen hat. Den Wein bringen die Gäste mit. Als Eintrittskarte sozusagen.
Nora holt die Stange Zigaretten aus dem Regal, packt die Päckchen aus und steckt die Zigaretten in kleine Gläser, so wie einen Blumenstrauß. Stilvoll rauchen. Dann geht sie mit einem Duftöl durch die Wohnung und sprüht zwei kleine Spritzer in jeden Raum.
Fertig.
Am frühen Abend klingeln die ersten Gäste. Zwei Autoren aus Hamburg. Vielleicht hat Oliver heute Glück.
Im Wohnzimmer läuft ein Dokumentarfilm von Anna, die Nora noch aus der Schule kennt. Die Häppchen kommen gut an und die ersten Weinflaschen werden entkorkt.
»Nora, wir machen morgen eine Fotosession. Märchenfiguren im Wald. Magst du unser Rotkäppchen sein?«
Immer was Neues.
Jenny nimmt die Gitarre und gibt ein melancholisches Lied zum Besten. Die Gäste klatschen. Die Stimmung ist gut. Später wird sie noch ausgelassen, vielleicht werden einige tanzen. Nora trägt heute Pailletten. So eine Phase. Glitzerphase. Glitzernde Gastgeberin.
Als es an der Tür klingelt, läuft Nora barfuß über den schönen Holzboden, hüpft vergnügt und drückt auf die Türklinke. Es ist jedes Mal eine Überraschung, wer wohl dahinter steht.
»Hi«, sagt Martin und lächelt.
»Du schon wieder.« Nora erstarrt.
»Oh. Das hört sich nicht so an, als würdest du dich freuen, mich zu sehen.« Er runzelt die Stirn.
»Doch«, verteidigt sie sich. »Es ist nur … Was machst du hier?«
»Ich hole dich hier raus!«
»Aber das geht nicht, ich bin hier … beschäftigt.« Sie fühlt sich plötzlich unwohl in ihrem ganzen Glitzer. Unpassend.
»Wir sind hier in deinem Kopf. Du kannst machen, was du willst!« Er greift nach ihrer Hand.
»Aber die anderen!«
»Die anderen sind doch gar nicht da.«
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