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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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Martin pustet in den Flur hinein. »Siehst du!«
    Nora dreht sich um und schaut in die Wohnung. Leer. Die Musik ist verstummt. Überhaupt alle Geräusche.
    »Wie hast du das gemacht?« Sie kann es nicht fassen.
    »Du hast das gemacht.« Martin tritt in den Flur und lehnt sich an die Wand.
    »Du bist in meinem Kopf!«, empört sich Nora.
    »Du hast mich reingelassen.« Er legt seinen Kopf ein wenig schräg und streckt den Arm nach ihr aus.
    »Du warst nicht eingeladen«, protestiert Nora weiter und übersieht seinen Arm.
    »Und trotzdem bin ich hier. Meinst du nicht, dass das etwas zu bedeuten hat?«
    Was soll sie da noch sagen?
    Martin löst sich von der Wand und geht ins Wohnzimmer, setzt sich aufs Sofa und steckt sich ein Stück gegrillte Paprika in den Mund.
    »Ich würde dich vielleicht reinbitten, wenn du nicht schon drin wärst.« Sie lächelt. Das erste Mal.
    Martin klopft mit der Hand auf den leeren Platz neben sich und schaut ihr herausfordernd in die Augen. Nora zögert, aber dann geht sie langsam auf ihn zu, hält seinen Blick, und kurz bevor sie am Sofa ist, beugt sie sich runter zu seinem Gesicht und …
    »He, Vorsicht!« Ich weiche einem Radfahrer aus.
    Warum jetzt? Gerade jetzt, wo es hätte spannend werden können.
    Plötzlich werde ich von einer Unruhe gepackt. Meine Hände werden kalt, die Wangen ganz warm und ein Kribbeln durchzieht meinen gesamten Körper.
    Mein Kopf schwirrt. Ich muss etwas tun! Irgendetwas, sonst werde ich noch verrückt. So kann es auf jeden Fall nicht weitergehen. Dieses Denken und Herumfantasieren, da hat Ruth recht, bringt mich nirgendwohin!
    Mein Magen zieht sich zusammen. Vielleicht habe ich Glück.
    Ich schwinge mich aufs Rad und fahre so schnell ich kann zum Sanatorium. Wenn er da ist, wenn Martin da ist, dann ist das ein Zeichen.
    Vor dem Eingang steige ich vom Fahrrad und lasse es etwas unsanft gegen die Mauer krachen. Egal!
    Mein Herz pocht ganz wild, ich schaue durch den Zaun und muss tief durchatmen, als ich Martin an gewohnter Stelle über sein Skizzenbuch gebeugt sitzen sehe. Wie kann er bloß zeichnen bei diesem Licht? Es ist schon dunkel.
    Aber er ist da. Ich habe es doch gewusst. Es ist definitiv ein Zeichen, da gibt es jetzt keine Ausreden mehr. Ich fahre mit den Fingern durch mein zerzaustes Haar und zupfe das Shirt zurecht. Und dann … trete ich durch das Tor. Einen Fuß vor den anderen setzend gehe ich auf ihn zu, bleibe an der Bank stehen und räuspere mich.
    Martin schaut auf, ganz langsam. Der hat Nerven! »Hey«, sagt er überrasscht.
    »Steh mal bitte auf«, sage ich, und meine Stimme zittert ein bisschen.
    »Was?« Er lacht.
    »Steh auf!« Meine Stimme hört sich fremd an in meinen Ohren.
    »Okay.« Martin schüttelt amüsiert den Kopf, legt Buch und Stift zur Seite und erhebt sich.
    »Super«, sage ich und bleibe ernst. »Jetzt sind wir auf gleicher Höhe.«
    Und dann umfasse ich sein Gesicht mit meinen Händen, ziehe es zu mir heran und lege meine Lippen auf seine.
    Martin mag baff sein, vielleicht, aber er überspielt das gut und erwidert meinen etwas forschen Kuss. Da stehen wir also, die Lippen aufeinandergepresst, die Zungen, die ganz vorsichtig noch die des anderen berühren, und Martin greift mich an den Hüften und drückt mich fest an sich.
    Eigentlich könnte das Feuerwerk jetzt losgehen. Wilde Lichter, die am Himmel zerplatzen. Tun sie natürlich nicht, ist ja kein Film hier.
    Aber ich fühle es in mir drin explodieren, im Bauch und in den Armen, im Gesicht und sogar am Po. Wir küssen uns ausgiebig, so als hätten wir viel zu lange schon darauf gewartet. Nur die Augen traue ich mich nicht zu öffnen, nicht dass sich das hier wieder als so ein komischer Tagtraum entpuppt. Nach zehn Minuten vielleicht, vielleicht auch länger, lassen wir voneinander ab und gehen wortlos zu meinem Fahrrad. Kein Traum. Martin steigt auf und ich auf den Gepäckträger und wir fahren hinunter zum Wasser.
    Am Strand zwischen den Dünen ist niemand mehr. Die Sonnenuntergangsgucker sind heimgekehrt in ihre kleinen Hotelzimmerchen. Etwas weiter weg, weit genug jedenfalls, wird ein Lagerfeuer angemacht und mit Bierflaschen angestoßen.
    Aber das kümmert Martin und mich nicht besonders. Wir sitzen einander gegenüber und sagen nichts, sehen uns nur in die Augen. Lächeln zart und senken immer wieder den Blick, um ihn dann möglichst schnell wieder auf den anderen zu richten. Unsere Knie berühren sich. Martin rückt ein wenig näher heran, streckt die Hand aus und

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