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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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Sie uns noch einmal miteinander sprechen, sobald Sie im Haus Ihrer Mutter waren.«
    Ich nicke. »War diese Frau Bremer jemals dort?«
    »Ja, mehrmals. Sie hat ihr Kleidung, Waschzeug, den Fernseher und verschiedene andere Dinge geholt.«
    Das, was sonst eine Tochter tun würde, schießt es mir durch den Kopf.
    »Wenn Frau Bremer kommt, geht’s Ihrer Mutter immer gut.«
    Ich stehe auf und verabschiede mich.

[home]
    9.
    D ieses Mal parke ich beinahe direkt vorm Haus. Ich steige aus, gehe auf das schwarze Metalltor zu, stecke den Schlüssel ins Schloss, drehe ihn um. Das Tor klemmt. Ich stemme mich mit der Schulter dagegen. Schauen die Nachbarn aus den Fenstern? Ist mir egal. Sollen sie die Polizei rufen. Die Tochter der Hausbesitzerin hat einen Schlüssel.
    Das Tor springt auf. Ich falle nach vorn, kann mich gerade noch fangen, im rechten Fuß spüre ich einen stechenden Schmerz.
    Ich lehne mich gegen die Hauswand und atme tief durch. Bloß keine Verstauchung, keine gerissene Sehne. Ich ziehe den Schuh aus, der Fuß wird heiß. Ich könnte heulen vor Wut.
    Humpelnd gehe ich auf die Haustür zu. Ein schlechtes Omen, würde Francescos Vater sagen.
    Was ist, wenn ich Briefe von ihr finde? Vielleicht sucht sie mich seit Jahren. Oder es gibt keine Briefe. Weil sie mich nie gesucht hat. Weil Mutter die Briefe vernichtet hat. Noch kann ich den Schlüssel zurückbringen. Tut mir leid, ich habe es nicht geschafft. Ruf Antonia Bremer an.
    »Hast du dir weh getan?«
    Ich blicke hoch. Leonie steht am Tor und runzelt die Stirn.
    »Ja, ich habe mir den Fuß verletzt.«
    »Hast du deine Mama besucht?«
    Ich nicke.
    »War sie böse?«
    »Sie kann nicht mehr sprechen.«
    »Man kann auch böse sein, ohne zu sprechen.«
    »Da hast du recht.«
    »Warst du schon im Haus?«
    »Nein.«
    »Darf ich mit reinkommen?«
    »Besser nicht. Ich weiß nicht, wie es da drinnen aussieht.«
    »Es gibt bestimmt viel Staub.«
    »Ja.«
    »Vielleicht auch Mäuse.« Leonie fängt an zu kichern. »Ich mag Mäuse.«
    »Ich nicht«, murmele ich.
    »Leonie?«, höre ich ihre Mutter rufen.
    »Kann ich mich im Hof verstecken?« Ihre Augen leuchten.
    »Das wird deiner Mutter nicht gefallen.«
    »Aber mir!«, juchzt sie und rennt mit ausgebreiteten Armen nach hinten.
    In dem Moment ertönt ein strenger Ruf vom Tor. »Komm sofort zurück!«
    Leonie denkt nicht daran.
    Ihre Mutter läuft an mir vorbei, ohne ein Wort zu sagen.
    Im Hinterhof schreit sie ihre Tochter an, was ihr einfalle, hier reinzulaufen. Leonie beginnt zu weinen.
    Ich humpele ihnen entgegen.
    »Es ist doch nicht so schlimm«, versuche ich die Mutter zu beruhigen.
    »Ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gebeten!«, faucht sie mich an und greift nach der Hand ihrer Tochter.
    Sie zieht das Kind energisch hinter sich her. Leonie dreht sich noch einmal nach mir um. Ich winke ihr zu. Sie winkt nicht zurück.
    Mein telefonino klingelt. Francesco. Als hätte er meine Zweifel gespürt.
    Ich erzähle ihm von dem Vormittag, dem Nachbarskind, den Schmerzen im Fuß.
    »Du darfst jetzt nicht aufgeben.«
    »Warum nicht?«
    »Weil deine Mutter hofft, dass du dich um ihr Haus kümmerst.«
    »Sie hat sich über meine Rückkehr nicht sonderlich gefreut.«
    »Aber sie hat dir ihren Schlüssel gegeben.«
    »Es kann sein, dass hier … Schlimmes auf mich zukommt.«
    »Versuch es wenigstens.«
    Ich schließe die Augen.
    »Wie hast du geschlafen?«
    »Schlecht. Und du?«
    »Ich habe viel geträumt. Ganz wirres Zeug …« Er stockt.
    »Was denn?«, frage ich.
    »… Dass wir ein Kind haben …«
    Ich reiße die Augen wieder auf.
    »Es ging schon zur Schule … ein Mädchen …«
    Wie kommt es, dass Francesco ausgerechnet jetzt so etwas träumt?
    »Es sah dir ähnlich …«
    Wir sind beide still. Ich streiche über meinen geschwollenen Fuß.
    »Tut mir leid … ich wollte dich nicht …«
    »Ist schon gut«, unterbreche ich ihn. »Du kannst nichts für deine Träume.«
    Ich beende das Gespräch. Ein paar Sekunden später schickt Francesco mir eine SMS .
Du bist stärker, als du denkst. F.
    Vielleicht nicht stark genug.
    Die Haustür lässt sich mühelos aufschließen. Mein Herz klopft.
    Es ist stickig. Ein schwacher Duft nach Zitronen hängt in der Luft. Dasselbe Raumspray wie früher.
    Auf den Dielen liegt Werbung, dazwischen einige Briefe, trotz des Nachsendeantrags. Antonia Bremer war offenbar länger nicht da.
    Jeder Schritt schmerzt. Ich müsste den Fuß hochlegen und kühlen. Aber nicht hier.
    Der Weg bis zur

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