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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wolltest, da… ich habe es versucht, Frank!«
    Irgend etwas in meiner Stimme ließ ihn aufhorchen.

    »Wirklich«, flüsterte ich.
    Frank wandte sich ab und ging zu meinem Schminktisch, wo er ruhelos Fläschchen aufnahm und wieder abstellte.
    »Ich konnte dich doch nicht im Stich lassen - du warst schwanger und ganz allein auf der Welt. So was tut nur ein Schuft. Und dann…, Brianna.« Blicklos starrte er auf den Lippenstift, den er in der Hand hielt. Dann stellte er ihn zurück auf die gläserne Abdeckplatte. »Ich konnte sie einfach nicht aufgeben.« Er drehte sich um und sah mich an.
    »Hast du gewußt, daß ich keine Kinder zeugen kann? Vor ein paar Jahren habe ich mich untersuchen lassen. Ich bin nicht zeugungsfähig. Wußtest du das?«
    Weil ich meiner Stimme nicht mehr sicher war, schüttelte ich den Kopf.
    »Brianna ist meine Tochter«, sagte er, mehr zu sich selbst. »Das einzige Kind, das ich je haben werde. Ich kann sie nicht aufgeben.« Er lachte kurz auf. »Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, daß du sie nicht ansehen kannst, ohne an ihn zu denken? Ich frage mich, ob du… ob du ihn ohne diese ständige Erinnerung im Laufe der Zeit nicht doch vergessen hättest.«
    »Nein.« Die geflüsterte Silbe wirkte auf ihn wie ein elektrischer Schlag. Einen Moment lang blieb er wie erstarrt stehen. Dann stürzte er zum Schrank und zog sich seine Kleider über den Pyjama. Ich sah ihm zu, wie er sich seinen Mantel überwarf und aus dem Zimmer stürmte. Aus dem Revers seines Trenchcoats lugte der blaue Seidenkragen seines Schlafanzugs hervor.
    Einen Augenblick später hörte ich die Eingangstür ins Schloß fallen - Frank verfügte über ausreichend Beherrschung, sie nicht zuzuknallen - und dann das Geräusch des Motors, der widerstrebend ansprang. Das Licht der Scheinwerfer strich über die Zimmerdecke, als er aus der Ausfahrt bog. Dann war er fort, und ich stand zitternd und allein vor dem zerwühlten Bett.
     
    Frank kam nicht wieder. Ich versuchte zu schlafen, doch ich lag steif wie ein Brett da, während ich mir die Auseinandersetzung noch einmal vor Augen führte und auf das Knirschen der Autoreifen wartete. Schließlich stand ich auf, zog mich an, schrieb Brianna einen Zettel und machte mich selbst auf den Weg.

    Zwar hatte das Krankenhaus nicht angerufen, aber ich konnte genausogut hinfahren und nach meinem Patienten sehen - das war besser, als mich stundenlang schlaflos im Bett zu wälzen. Und, um ehrlich zu sein, ich fand den Gedanken ganz angenehm, daß Frank mich nicht vorfand, wenn er zurückkam.
    Die eisglatten Straßen glänzten schwarz im Licht der Straßenlampen, und das gelbe Phosphorlicht ließ die fallenden Flocken aufschimmern. Innerhalb der nächsten Stunde wäre das Eis auf den Straßen von einer dichten Schicht Pulverschnee bedeckt und damit doppelt so gefährlich. Dabei tröstete mich nur, daß um vier Uhr morgens niemand auf den Straßen unterwegs war und in Gefahr geraten konnte. Niemand außer mir.
    Im Krankenhaus umfing mich die gewohnte stickige Luft wie eine vertraute Decke und schirmte mich vor der froststarrenden Nacht draußen ab.
    »Es geht ihm gut«, flüsterte mir der Pfleger zu. »Seine Funktionen sind intakt und der Puls stabil. Keine Blutungen.« Daß er recht hatte, sah ich selbst. Zwar war der Patient noch bleich, doch auf seinen Wangen zeigte sich ein blasser Hauch von Röte.
    Erst als ich erleichtert ausatmete, merkte ich, daß ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. »Gut«, sagte ich, »sehr gut.« Als mich der Pfleger warm anlächelte, mußte ich den Impuls unterdrücken, mich an ihn zu lehnen und in Tränen auszubrechen. Plötzlich kam mir das Krankenhaus wie mein einziger Zufluchtsort vor.
    Nach Hause zu fahren hatte keinen Sinn. Ich sah kurz nach meinen anderen Patienten und setzte mich dann in die Cafeteria. Während ich an meinem Kaffee nippte, überlegte ich, was ich Brianna sagen sollte.
    Nach etwa einer halben Stunde stürmte eine der Schwestern aus der Notaufnahme durch die Schwingtür. Als sie mich sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. Dann kam sie langsam auf mich zu.
    Ich wußte es auf Anhieb. Zu oft hatte ich mit angesehen, wie Ärzte oder Schwestern die Todesnachricht überbrachten, um die Anzeichen mißdeuten zu können. Unnatürlich ruhig, ohne etwas zu fühlen, stellte ich die Tasse ab. Dabei registrierte ich, daß am Rand ein Stückchen abgesprungen und das goldene B ihrer Aufschrift fast völlig verblaßt war - ein Bild, das ich mein

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