Ferne Ufer
seinen Studentinnen eine verheerende Wirkung ausüben mußte. Ich war erstaunlich gefaßt.
»Warum auf einmal? Setzt dich deine neueste Freundin unter Druck?«
Das bestürzte Flackern, das über sein Gesicht huschte, war so deutlich, daß es fast schon komisch wirkte. Obwohl mir keineswegs nach Lachen zumute war, mußte ich schmunzeln.
»Hast du gedacht, ich hätte nichts gemerkt? Du meine Güte, Frank! Du kriegst aber auch gar nichts mit!«
Er biß die Zähne zusammen.
»Ich dachte, ich hätte mich diskret verhalten.«
»Vielleicht hast du das ja«, entgegnete ich mokant. »In den letzten zehn Jahren habe ich sechs verschiedene gezählt. Wenn es doppelt so viele waren, warst du ein Muster an Diskretion.«
Frank zeigte nur selten seine Gefühle, doch jetzt wurde die Haut an seinen Mundwinkeln so weiß, daß man ihm seinen Zorn deutlich ansah.
»Diese muß wirklich was Besonderes sein«, fuhr ich fort, während ich nach außen hin ungerührt die Arme verschränkte und mich an das Kopfende des Bettes lehnte. »Aber warum hast du es plötzlich so eilig, nach England zu kommen, und warum willst du Brianna mitnehmen?«
»Sie kann dort auf ein Internat gehen«, entgegnete er kurz angebunden. »Das erweitert ihren Horizont.«
»Ich glaube nicht, daß ihr daran etwas liegt«, wandte ich ein. »Sie hat bestimmt keine Lust, all ihre Freunde zurückzulassen, noch dazu kurz vor ihrem Abschluß, um in England aufs Internat zu gehen.« Mich schüttelte es bei der Vorstellung. Als Kind wäre ich um Haaresbreite selbst in einem dieser Institute gelandet, wo man lebendig begraben war, und noch heute empfand ich bei der Vorstellung ohnmächtige Angst.
»Disziplin hat noch niemandem geschadet«, sagte Frank. Er hatte sich wieder in der Gewalt, doch seine Züge waren noch hart. »Dir hätte sie auch gutgetan.« Mit einer Handbewegung wischte er das Thema beiseite. »Ich jedenfalls habe mich entschlossen, für immer nach England zurückzukehren. Man hat mir in Cambridge einen guten Posten angeboten, und diese Chance will ich mir nicht entgehen lassen. Du willst deine Stelle am Krankenhaus sicher behalten. Aber ich habe nicht vor, meine Tochter hier zurückzulassen.«
»Deine Tochter?« Das verschlug mir die Sprache. Er hatte also eine neue Stelle und eine neue Geliebte. Offenbar hatte er seit einiger Zeit Pläne geschmiedet. Ein neues Leben - aber nicht mit Brianna.
»Meine Tochter«, wiederholte er seelenruhig. »Natürlich kannst du uns jederzeit besuchen…«
»Du… du verdammtes Schwein!« stieß ich hervor.
»Sei doch vernünftig, Claire!« Frank musterte mich von oben herab und versuchte es mit seiner altbewährten Taktik des schwer Geprüften, die er ansonsten den Studenten vorbehielt, die seinen Anforderungen nicht gewachsen waren. »Du bist doch kaum zu Hause. Wenn ich fort bin, ist niemand mehr da, der sich um Brianna kümmert.«
»Das klingt ja, als wäre sie acht statt achtzehn. Um Himmels willen, sie ist fast erwachsen!«
»Da braucht sie erst recht jemanden, der ein Auge auf sie hat«, entgegnete er bissig. »Wenn du gesehen hättest, wie es an der Universität zugeht… der Alkohol und die Drogen…«
»Das weiß ich«, zischte ich. »Denn irgendwann landen diese Leute dann bei uns in der Notaufnahme. Aber Brianna ist nicht so…«
»Verdammt, ist sie doch. Ein Mädchen in diesem Alter hat keinen Verstand - hängt sich an den ersten Kerl, der…«
»Quatsch! Brianna ist vernünftig. Abgesehen davon gehen alle jungen Leute Risiken ein. Schließlich müssen sie Erfahrungen sammeln. Du kannst sie nicht ihr ganzes Leben lang in Watte packen.«
»Besser, sie bleibt in Watte gepackt, als daß sie sich mit einem Schwarzen einläßt«, schoß er zurück. Auf seinen Wangen zeigten sich hektische rote Flecken. »Wie die Mutter, so die Tochter, so heißt es doch, oder? Aber das werde ich zu verhindern wissen, solange ich noch ein Wörtchen mitzureden habe.«
Ich schoß aus dem Bett und baute mich wutschnaubend vor ihm auf.
»Du hast nicht das geringste bißchen mitzureden, wenn es um Brianna geht.« Ich zitterte vor Wut und mußte die Fäuste an die Oberschenkel pressen, um nicht auf ihn einzuschlagen. »Da erklärst du mir rundheraus, daß du mich wegen der neuesten deiner Geliebten verlassen willst, und dann besitzt du die Frechheit anzudeuten, ich hätte eine Affäre mit Joe Abernathy. Das wolltest du doch sagen, oder?«
Immerhin besaß er den Anstand, den Blick zu senken.
»Das denkt doch jeder«,
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