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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Plötzlich spannte mein Kleid in den Achselhöhlen. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem ich Jamie verlassen hatte, und 1765 lagen fast zwanzig Jahre.
    Ich starrte auf die sepiabraunen Buchstaben. Der Schreiber hatte bei seiner Arbeit Mühe gehabt, wie an den Krakeln, den ungelenken Strichen und den manchmal zu groß geratenen Schleifen am »g« und »y« zu erkennen war. Vielleicht die Schrift eines Linkshänders, der unter Schwierigkeiten mit der Rechten schreibt.
    »Und hier ist die gedruckte Fassung.« Roger legte einen der aufgeschlagenen Bände vor mir auf den Schreibtisch. »Sehen Sie das Datum? Das Jahr 1765. Und fast der gleiche Wortlaut wie im handgeschriebenen Manuskript.«
    »Ja«, sagte ich. »Und die Übertragungsurkunde?«
    »Die ist hier.« Brianna wühlte in der obersten Schublade und zog einen zerknitterten Bogen hervor, der gleichfalls in einer Plastikhülle steckte. Die Urkunde sah noch mitgenommener aus als
das Manuskript, denn offensichtlich war sie häufig dem Regen ausgesetzt gewesen, schmutzig, eingerissen, und viele Worte waren bis zur Unleserlichkeit verschmiert. Doch die drei Unterschriften unter dem Text konnte man noch deutlich entziffern.
    Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte , stand dort. Diesmal hatte sich der Verfasser mehr Mühe gegeben, und die Verwandtschaft zum Manuskript zeigte sich nur in der großen Schleife des »g«. Unter dem Namenszug James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser hatten die zwei Zeugen unterschrieben - in säuberlichen, feinen Buchstaben Murtagh FitzGibbons Fraser , und in meiner schwungvollen Schrift Claire Beauchamp Fraser .
    Ich ließ mich auf den Drehstuhl fallen und legte die Hand auf das Dokument, als wollte ich mich vergewissern, daß es keine optische Täuschung war.
    »Das ist es, nicht wahr?« fragte Roger. Die zitternden Finger straften seine zur Schau getragene Gelassenheit Lügen. »Sie haben unterschrieben. Ein unwiderlegbarer Beweis, wenn wir ihn noch bräuchten«, sagte er mit einem Blick auf Brianna.
    Brianna schüttelte den Kopf. Die beiden brauchten das nicht mehr. Seit sie vor fünf Monaten mit eigenen Augen gesehen hatten, wie Geillis Duncan durch die Steine verschwand, zweifelten sie nicht mehr an meiner Geschichte.
    Dennoch war es ziemlich überwältigend, alles in Schwarz auf Weiß vor sich liegen zu sehen. Ich zog meine Hand fort und betrachtete erst die Übertragungsurkunde und dann das handgeschriebene Manuskript.
    »Die Schrift ist die gleiche, Mama«, sagte Brianna und beugte sich eifrig über den Schreibtisch. »Allerdings war der Artikel nicht unterzeichnet - oder nur mit einem Pseudonym.« Sie lächelte. »Der Autor tritt nur als Q.E.D. in Erscheinung. Wir sind keine Schriftexperten, aber wir wollten die Dokumente nicht zur Prüfung aus der Hand geben, bevor du sie gesehen hast.«
    »Mir scheint, ihr habt recht.« Es hatte mir den Atem verschlagen. Zugleich aber spürte ich in mir eine überwältigende Gewißheit und eine geradezu stürmische Freude aufsteigen. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher, daß Jamie das geschrieben hat.« Q.E.D., in der Tat. Am liebsten hätte ich die Manuskriptseiten aus der Plastikhülle gezogen und in die Hände genommen. Ich wollte Tinte
und Bogen spüren, wollte die Zeugnisse berühren, die mir verrieten, daß Jamie überlebt hatte.
    »Es gibt noch mehr Beweise.« Roger konnte seinen Stolz kaum verbergen. »Der Artikel wendet sich gegen ein Gesetz aus dem Jahre 1764, das die Ausfuhr schottischer Spirituosen nach England einschränkt.« Roger zeigte auf einen bestimmten Satz. »Hier… denn von alters her wissen wir, ›Freiheit und Whisky gehören zusammen‹. Der Autor hat den Ausspruch in Anführungszeichen gesetzt, weil er wohl von einem anderen stammt.«
    »Von mir«, erklärte ich leise. »Das habe ich gesagt, als Jamie sich anschickte, Prinz Charles den Portwein zu stehlen.«
    »Das wußte ich noch.« Rogers Augen glitzerten vor Aufregung.
    »Aber das Zitat stammt von Burns«, wandte ich stirnrunzelnd ein. »Vielleicht hat der Autor es von ihm übernommen - hat Burns damals schon gelebt?«
    »Das schon«, erwiderte Brianna verschmitzt. »Aber 1765 war er erst sechs Jahre alt.«
    »Und Jamie müßte vierundvierzig sein.« Plötzlich schien er mir greifbar nahe. Er war am Leben - die ganze Zeit am Leben gewesen, verbesserte ich mich, während ich versuchte, meine Gefühle im Zaum zu halten. Mit zitternden Fingern griff ich nach den Manuskriptseiten.
    »Und wenn -« Ich hielt inne, weil ich wieder

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