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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Zweischillingstücke, zehn halbe Pennies… und zwölf Farthings.« Roger ließ die letzte Münze auf den schimmernden Haufen fallen. Dann durchsuchte er gedankenverloren seine Taschen. »Ja, hier ist es.« Er förderte einen Plastikbeutel zutage und kippte vorsichtig eine Handvoll kleiner Kupfermünzen neben die anderen Geldstücke.
    »Pfifferlinge«, erklärte er. »Die kleinste schottische Münze jener Tage. Ich habe alle mitgebracht, die ich auftreiben konnte, weil Sie die wohl am ehesten brauchen werden. Damals bezahlte man nur mit großen Münzen, wenn man ein Pferd oder so was kaufen wollte.«
    »Ich weiß.« Ich nahm ein paar Sovereigns und ließ sie in der Hand klimpern. Sie waren schwer - massive Goldmünzen von gut zwei Zentimetern Durchmesser. Brianna und Roger waren in London vier Tage lang von einem Münzhändler zum anderen gelaufen, um das kleine Vermögen zusammenzutragen, das jetzt schimmernd vor mir lag.
    »Seltsam, daß diese Geldstücke heute weitaus mehr wert sind als ihr Nominalwert«, sagte ich, während ich eine Guinee betrachtete. »Aber kaufen konnte man dafür in der Vergangenheit fast genausoviel wie jetzt. Eine Guinee, das hat ein Bauer in einem halben Jahr verdient.«
    »Ich habe ganz vergessen, daß Sie darüber mehr wissen als ich«, räumte Roger ein.
    »Kein Wunder«, erwiderte ich, den Blick auf die Geldhäufchen gerichtet. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Brianna sich an Roger schmiegte und er sie ganz selbstverständlich an sich zog.

    Ich holte tief Luft und hob den Kopf. »Gut, das wäre erledigt. Und jetzt sollten wir essen gehen!«
     
    Das Abendessen in einem der Pubs an der River Street war eine schweigsame Angelegenheit. Claire saß neben Brianna auf der Bank und Roger ihnen gegenüber. Die beiden Frauen sahen sich beim Essen nicht an, aber Roger merkte, daß sie sich immer wieder berührten.
    Wie würde er damit fertig werden, fragte er sich, wenn er selbst oder seine Mutter, sein Vater vor einer solchen Entscheidung stünde? Gewiß, Trennungen gab es in jeder Familie, doch meist war es der Tod, der das Band zwischen Eltern und Kindern zerschnitt. Hier jedoch machte es gerade die bewußte Entscheidung so schwierig.
    Als sie sich nach dem Essen vom Tisch erhoben, legte Roger Claire die Hand auf den Arm.
    »Es ist ein dummes Spiel«, sagte er, »aber würden Sie etwas für mich tun?«
    »Warum nicht?« antwortete sie. »Um was geht’s denn?«
    Er wies mit dem Kopf auf die Tür. »Schließen Sie die Augen und gehen Sie hinaus. Dort machen Sie sie wieder auf. Ich möchte wissen, was Sie als erstes sehen.«
    Amüsiert schmunzelte sie. »Einverstanden. Aber ich hoffe, es ist kein Polizist, denn wenn er mich wegen Trunkenheit und ungebührlichen Verhaltens einsperrt, müßt ihr mich auslösen.« Gehorsam wandte sie sich zur Tür des Lokals und schloß die Augen. Brianna sah ihr nach, als sie sich mit den Händen den Weg zum Ausgang ertastete. Fragend drehte sie sich zu Roger um.
    »Was soll das, Roger?«
    »Nichts«, sagte er, während er unverwandt auf die Tür blickte. »Das ist ein alter Brauch. In der Samhain-Nacht, also an Halloween, sagt man sich die Zukunft voraus. Und eine Möglichkeit ist es, mit geschlossenen Augen zur Tür hinauszugehen. Das erste, was man dann sieht, gibt Aufschlüsse über die Zukunft.«
    »Dann sollten wir besser rausgehen und aufpassen. Nicht, daß es etwas Schlechtes bedeutet.« Aber kaum waren sie bei der Tür, als der Flügel aufschwang und Claire mit verdutztem Gesicht vor ihnen auftauchte.

    »Ihr glaubt nicht, was ich als erstes gesehen habe«, sagte sie lachend. »Einen Polizisten! Ich bin nach rechts gegangen und fast über ihn gestolpert.«
    »Er kam auf Sie zu?« Roger war unendlich erleichtert.
    »Ja, jedenfalls bis ich ihm in die Arme lief«, erklärte sie. »Anschließend haben wir dann ein Tänzchen auf dem Bürgersteig hingelegt.« Als sie lachte, sah sie plötzlich jung und lebendig aus, und ihre sherrybraunen Augen funkelten im Licht der Lampen. »Warum fragen Sie?«
    »Das bringt Glück«, erklärte Roger lächelnd. »Wenn an Samhain ein Mann auf Sie zukommt, heißt das, daß Sie finden werden, was Sie suchen.«
    »Wirklich?« Fragend sah sie ihn an, aber dann strahlte sie. »Wunderbar! Gehen wir nach Hause. Das müssen wir feiern.«
    Die ängstliche Stimmung, die sie beim Abendessen beherrscht hatte, schien plötzlich wie weggeblasen. Statt dessen hatte sie eine fast schon übermütige Freude ergriffen. Auf der Rückfahrt zum

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