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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Plastiklineal. »In einer Höhle, sagten Sie?«
    »Wir glauben, es war… äh, ein geheimes Bestattungsritual von Sklaven«, erklärte Mr. Thompson, während er rot anlief. Plötzlich wurde mir klar, warum er so bestürzt gewesen war, als er merkte, wer dieser Dr. Abernathy war.
    »Nein, das war keine Sklavin«, sagte er.
    Thompson blinzelte. »Aber das muß sie. All die Sachen, die wir bei ihr gefunden haben… eindeutig afrikanischer Einfluß…«
    »Nein«, wiederholte Joe ungerührt und gab dem Schenkelknochen einen Stoß. »Das war keine Schwarze.«
    »Können Sie das wirklich feststellen? Anhand der Knochen?« Horace Thompson war ganz aufgelöst. »Aber ich dachte… diese Studie von Jensen, ich meine… diese Theorien über die Unterschiede im Körperbau der einzelnen Rassen… das ist doch weitgehend widerlegt«, stammelte er, knallrot im Gesicht.
    »Oh, weit gefehlt«, unterbrach ihn Joe trocken. »Von mir aus
dürfen Sie gerne denken, daß Weiße und Schwarze unter der Haut gleich sind. Aber wissenschaftlich haltbar ist das nicht.« Er wandte sich um und zog ein Buch aus dem Regal. Aufstellung der anatomischen Abweichungen im Skelettbau lautete der Titel.
    »Hier können Sie es nachlesen«, bot Joe ihm an. »Die Unterschiede zeigen sich in vielen Teilen des Knochenbaus, aber am deutlichsten im Verhältnis von Ober- und Unterschenkel. Und diese Dame hier…« - er wies auf die Gebeine auf dem Tisch - »war weiß. Das steht außer Frage.«
    »Oh!« staunte Horace Thompson. »Da muß ich erst mal nachdenken… Das heißt, vielen Dank für Ihre Mühe. Sehr freundlich von Ihnen.« Dabei verbeugte er sich ungeschickt. Schweigend sahen wir zu, wie er die Gebeine wieder in seinen Karton räumte. Dann eilte er davon.
    Joe lachte, als die Tür hinter dem Mann ins Schloß fiel. »Wollen wir wetten, daß er sie für ein zweites Gutachten bei Rutgers vorbeibringt?«
    »Ein Akademiker tut sich schwer, eine Theorie aufzugeben«, stellte ich achselzuckend fest. »Ich habe lange genug mit einem zusammengelebt.«
    Joe schnaubte. »Dann wollen wir Mr. Thompson und seine Dame mal abhaken. Aber was kann ich für dich tun, Lady?«
    Ich holte tief Luft und wandte mich zu ihm um.
    »Ich möchte deine ehrliche Meinung hören, denn bei dir kann ich mich ja wohl darauf verlassen, daß du objektiv bist. Nein«, verbesserte ich mich dann rasch. »Ich brauche deine Meinung, und dann will ich dich - je nachdem, wie sie ausfällt - um einen Gefallen bitten.«
    »Kein Problem«, versicherte mir Joe. »Ich bin berühmt für meine Meinungen.« Er zog seinen Stuhl an den Schreibtisch, nahm seine goldgerahmte Brille auf und schob sie sich resolut auf die Nase. Dann verschränkte er die Arme. »Schieß los!«
    »Bin ich begehrenswert?« fragte ich. Joes Augen, deren warmes Goldbraun mich immer an Sahnebonbons erinnerte, wurden rund wie Teetassen. Dann musterte er mich eingehend von oben bis unten.
    »Das ist eine Fangfrage, stimmt’s?« wollte er wissen. »Und wenn ich antworte, springt eine Feministin hinter der Tür hervor,
beschimpft mich als chauvinistisches Sexistenschwein und haut mir ein Schild, auf dem ›Schwanz ab!‹ steht, über den Schädel.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich wäre sogar dankbar, wenn du aus der Sicht eines Chauvis antwortest.«
    »Also gut: Mageres weißes Frauenzimmer, zu viele Haare, aber ein toller Arsch. Und ein fabelhafter Busen«, fügte er mit einem freundlichen Nicken hinzu. »War es das, was du wissen wolltest?«
    »Ja, danke«, erwiderte ich und atmete endlich aus. »Genau das war’s. Eine Frage, die man nicht jedem stellen kann.«
    Er schürzte die Lippen zu einem stummen Pfiff. Dann warf er den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus.
    »Lady Jane! Du hast dir jemanden angelacht!«
    Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg, versuchte jedoch, mich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. »Das weiß ich noch nicht. Vielleicht. Nur vielleicht.«
    »Vielleicht. Mein Gott, solch einen Witz hab’ ich mein Lebtag noch nicht gehört! Mein Gott, Lady, das wurde aber auch Zeit.«
    »Würdest du freundlicherweise mit dem Gegacker aufhören«, beschwerte ich mich. »Das gehört sich nicht für einen Mann in deinem Alter und in deiner Stellung!«
    »In meinem Alter? Oho!« Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Er ist also jünger als du? Machst du dir deshalb Sorgen?«
    »Nicht unbedingt. Aber ich habe ihn seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Du bist der einzige, der mich seit

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