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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schwer schlucken mußte.
    »Und wenn, wie wir denken, die Zeit parallel verläuft -« Auch Roger kam nicht weiter. Hilfesuchend sah er mich an. Dann richtete er den Blick auf Brianna.
    Die war kreidebleich geworden. Aber ihr Gesicht verriet kein Anzeichen von Furcht, und ihre Finger waren warm, als sie mir über die Hand strich.
    »Dann kannst du zurückgehen, Mama«, sagte sie, »und ihn suchen.«
     
    Scheppernd schlugen die Plastikbügel gegen die Metallstange, als ich mich durch die feilgebotenen Kleider wühlte.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte mich die Verkäuferin, ein junges Mädchen mit grellblau umrandeten Augen, die man allerdings hinter den überlangen Stirnfransen kaum sah.

    »Haben Sie noch mehr von diesen historischen Kleidern?« Ich wies auf den Ständer vor mir, der mit Gewändern mit Spitzenleibchen und langen Röcken aus Baumwollmusselin und Samt, also alles nach dem letzten Schrei, vollgehängt war.
    Die Verkäuferin hatte den Lippenstift so dick aufgetragen, daß ich fast befürchtete, er würde Risse bekommen, als sie lächelte, aber das tat er nicht.
    »Natürlich«, meinte sie, »gerade heute ist eine Lieferung von Jessica-Gutenburg-Modellen reingekommen. Sind die nicht irre, diese Kleider aus der guten alten Zeit?« Bewundernd strich sie mit dem Finger über den Ärmel einer braunen Samtrobe. Dann wies sie auf einen Ständer in der Mitte der Boutique. »Gleich dort. Unter dem Schild.«
    Auf der Tafel stand VERFALLEN SIE DEM ZAUBER DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS. Und darunter in verschnörkelten Goldbuchstaben der Firmenname Jessica Gutenburg .
    Sofort stach mir ein wunderschönes cremefarbenes Samtkleid mit Satineinlage und üppigem Spitzenbesatz ins Auge.
    »Das hier würde Ihnen prima stehen.« Die Verkäuferin war wieder aufgetaucht; wahrscheinlich witterte sie ein Geschäft.
    »Mag sein«, erwiderte ich, »aber praktisch ist es nicht gerade. Damit kann man ja kaum aus dem Laden gehen, ohne daß es schmutzig wird.« Bedauernd schob ich das cremefarbene zur Seite und widmete mich dem nächsten in meiner Größe.
    »Oh, die roten gefallen mir besonders gut.« Begeistert klatschte die Verkäuferin beim Anblick eines granatroten Stoffs in die Hände.
    »Mir auch«, murmelte ich. »Aber wir wollen doch nicht ordinär aussehen. Wer möchte schon gern für ein leichtes Mädchen gehalten werden?« Die Verkäuferin sah mich verwundert an. Dann kam sie wohl zu dem Ergebnis, daß ich scherzte, und kicherte zustimmend.
    »Aber das hier«, sagte sie entschlossen, »ist wie für Sie geschaffen. Genau Ihre Farbe.«
    Damit hatte sie nicht einmal unrecht. Ein Rock bis zum Boden, dreiviertellange Ärmel mit Spitzenbesatz aus goldgelber, schwerer Seide, die in Braun, Bernstein und Gold changierte.
    Ich nahm das Kleid vom Ständer und hielt es prüfend in die
Höhe. Ein wenig zu aufwendig vielleicht, aber für meine Zwecke durchaus geeignet. Die Verarbeitung schien halbwegs solide; zumindest lugte kein loser Faden hervor. Die maschinengefertigte Spitze war auf dem Mieder nur mit losen Stichen befestigt, aber das ließ sich leicht ändern.
    »Wollen Sie’s anprobieren? Die Kabinen sind gleich da drüben.« Ermutigt durch mein Interesse, wich mir die Verkäuferin nicht mehr von der Seite. Nach einem Blick auf das Preisschild wußte ich auch, warum: Gewiß war sie am Umsatz beteiligt. Ich hingegen schnappte bei dem Betrag nach Luft; für das gleiche Geld konnte man sich in London einen Monat lang eine Wohnung mieten. Aber dann zuckte ich die Achseln. Wozu brauchte ich schließlich Geld?
    Trotzdem zögerte ich.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte ich zweifelnd. »Es ist reizend, aber…«
    »Oh, Sie brauchen nicht zu befürchten, das Kleid könnte zu jugendlich für Sie sein«, versicherte mir die Verkäuferin ernsthaft. »Sie sehen nicht einen Tag älter als fünfundzwanzig aus. Na ja, sagen wir, dreißig«, verbesserte sie sich nach einem hastigen Blick auf mein Gesicht.
    »Danke«, entgegnete ich trocken. »Aber das ist es nicht. Haben Sie auch welche ohne Reißverschluß?«
    »Reißverschluß?« Ihr kleines, rundes Gesicht zeigte nichts als blanke Ratlosigkeit. »Nein… ich glaube nicht.«
    »Ist nicht tragisch«, versicherte ich ihr, während ich das Kleid über den Arm legte und mich zur Umkleidekabine wandte. »Im Vergleich zu allem anderen sind Reißverschlüsse noch das geringste meiner Probleme.«

22
    Halloween
    »Zwei Goldguineen, sechs Sovereigns, dreiundzwanzig Schillinge, achtzehn

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