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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Daraus schloß ich, daß Mr. Willoughby in diesem Lokal nicht besonders beliebt war.
    Jamie bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Ich hielt mich dicht hinter ihm, versuchte, niemanden anzusehen und möglichst nicht zu atmen. Für jemanden, der an die Ansteckungsherde des achtzehnten Jahrhunderts nicht gewöhnt war, wirkte der Gestank so vieler ungewaschener Körper auf engstem Raum umwerfend.
    Kurz vor der Tür bekamen wir jedoch Ärger, und zwar in Gestalt einer rundlichen jungen Frau, deren Kleid ein Stück kürzer war als das schlichte graue Gewand der Wirtin und ihrer Tochter. Ihr Ausschnitt war dafür um einiges tiefer, und es fiel mir nicht schwer, ihren Beruf zu erraten. Sie war dabei, einige Lehrjungen zu umgarnen, doch als wir aus der Küche kamen, sprang sie mit einem gellenden Schrei auf und stieß dabei einen Becher Ale um.
    »Das ist er!« rief sie und zeigte mit zitternder Hand auf Jamie. »Der widerliche Teufel!« Sie hatte Schwierigkeiten, geradeaus zu schauen - vermutlich war das verschüttete Ale an diesem Abend nicht ihr erstes gewesen.
    Ihre Begleiter starrten Jamie neugierig an, zumal die junge Dame nun vortrat und mit dem Finger herumfuchtelte, als wollte sie
einen Chor dirigieren. »Er! Der kleine Wicht, von dem ich euch erzählt hab’… er, der mir so etwas Ekelhaftes angetan hat.«
    Wie alle anderen sah ich Jamie neugierig an, doch mir wurde ebenso rasch wie ihnen klar, daß die junge Frau nicht zu ihm sprach, sondern zu der Last auf seiner Schulter.
    »Du abartiger Zwerg!« schrie sie in Richtung des blauseidenen Hosenbodens von Mr. Willoughby. »Ganove! Nichtsnutz!«
    Der Anblick einer Jungfrau in Not weckte den Unmut ihrer Gesellen. Einer von ihnen, ein großer, bulliger Kerl, stand auf, ballte die Fäuste und lehnte sich auf den Tisch. Seine Augen glänzten vor Angriffslust und Alkohol.
    »Er ist’s, aye? Soll ich ihn abstechen, Maggie?«
    »Das würde ich nicht versuchen, Bürschchen«, riet ihm Jamie und rückte seine Last zurecht. »Trink dein Bier, und wir gehen.«
    »Ach ja? Und du bist der Zuhälter von dem Gnom oder was?« Der rotgesichtige Kerl grinste höhnisch, was ihm nicht gerade stand. »Zumindest ist deine andere Hure nicht gelb - schauen wir uns die doch mal an.« Seine Pranke packte meinen Umhang und enthüllte das tiefausgeschnittene Mieder meines Kleides.
    »Sieht ziemlich rosig aus«, meinte sein Freund anerkennend. »Ist sie am ganzen Körper so?« Bevor ich ausweichen konnte, griff er nach meinem Mieder und bekam den Rand der Spitze zu fassen. Der dünne Stoff, der für das rauhe Leben im achtzehnten Jahrhundert nicht geschaffen war, riß auf und enthüllte noch mehr rosige Haut.
    »Laß sie los, du Hurensohn!« Mit lodernden Augen wirbelte Jamie herum, die freie Faust drohend geballt.
    »Was fällt dir denn ein, du Dreckskerl?« Der erste Bursche sprang kurzerhand auf die Tischplatte und stürzte sich auf Jamie, der umsichtig beiseite trat, so daß der Angreifer mit dem Gesicht gegen die Wand flog.
    Jamie erreichte mit einem großen Schritt den Tisch und ließ seine Faust auf den Kopf des anderen Lehrlings niedersausen, so daß diesem der Unterkiefer herunterfiel. Dann packte er mich bei der Hand und zog mich zur Tür hinaus.
    »Komm schon!« sagte er und schob brummend den Chinesen zurecht. »Die sind uns gleich auf den Fersen!«
    Tatsächlich hörte ich bald die Rufe der lärmenden Meute, die
aus der Taverne auf die Straße hinter uns drängte. Jamie nahm die erste Abzweigung in eine enge, dunkle Gasse, und wir patschten durch Schlamm und Pfützen, in denen wer weiß was trieb, duckten uns unter einen Torbogen und gelangten in eine weitere verwinkelte Gasse, die durch das Innerste von Edinburgh zu führen schien - vorbei an dunklen Mauern und zersplitterten Holztüren. Dann bogen wir um eine Ecke und standen in einem kleinen Hinterhof, wo wir eine Atempause machten.
    »Was… in aller Welt… hat er angestellt?« keuchte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, was der kleine Chinese einem kräftigen jungen Frauenzimmer wie dieser Maggie hätte antun sollen. Dem Anschein nach hätte sie ihn zerquetschen können wie eine Fliege.
    »Tja, es sind die Füße, weißt du«, erklärte Jamie mit einem halb resignierten, halb wütenden Seitenblick auf Mr. Willoughby.
    »Füße?« Unwillkürlich sah ich mir die hübschen, winzigen Füße des Asiaten an, die in schwarzen Satin mit Filzsohlen gehüllt waren.
    »Nicht seine«, sagte Jamie, der meinen Blick auffing. »Die der

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