Ferne Ufer
zusammen. »Ich habe dich nie gebeten…«, begann er.
»Nein, das hast du nicht. Ich klage dich nicht an, um Himmels willen! Aber die Tatsache bleibt bestehen - Lallybroch gehört mir nicht mehr! Mein Vater hat mir das Gut hinterlassen, und ich habe dafür gesorgt, so gut ich konnte - und du hast mir dabei geholfen, Ian.« Seine Stimme wurde ein wenig weicher. »Ohne dich und Jenny hätte ich das nie geschafft. Ich bereue es nicht, daß ich es dem jungen Jamie überschrieben habe - das mußte sein. Aber dennoch…« Er wandte sich ab und senkte den Kopf.
Ich wagte es nicht, mich zu rühren oder zu sprechen, aber von dem Jungen fing ich einen unendlich verzweifelten Blick auf. Tröstend legte ich ihm die Hand auf die Schulter. Er legte seine große, knochige Hand auf meine und hielt sie fest.
Um Fassung ringend, wandte sich Jamie wieder seinem Schwager zu. »Ich schwöre dir, Ian, ich habe den Jungen nicht in Gefahr gebracht. Ich habe ihn, so gut es ging, von allem ferngehalten - die Schauermänner haben ihn nicht zu Gesicht bekommen, und ich ließ ihn nicht mit Fergus auf dem Boot hinausfahren, so sehr er mich auch darum bat. Ich habe ihn nicht gebeten zu kommen, Ian, und ich habe ihm gesagt, daß er wieder heim muß.«
»Aber du hast nicht dafür gesorgt, daß er tatsächlich heimgeht, oder?« Ians Gesicht nahm allmählich wieder seine normale Farbe an, aber seine Augen funkelten immer noch vor Zorn. »Und du hast uns auch nicht benachrichtigt. Um Himmels willen, Jamie, Jenny hat nächtelang kein Auge zugetan!«
Jamie preßte die Lippen zusammen. »Nein«, sagte er. »Das habe ich nicht. Ich…« Er warf wieder einen Blick auf den Jungen und zuckte unbehaglich mit den Achseln, als wäre ihm plötzlich sein Hemd zu eng.
»Nein«, wiederholte er. »Ich wollte ihn selbst heimbringen.«
»Er ist alt genug, um allein zu reisen«, entgegnete Ian. »Er ist schließlich auch allein hergekommen, oder?«
»Aye. Das war es nicht.« Ruhelos griff Jamie nach seiner Teetasse und drehte sie hin und her. »Ich wollte ihn heimbringen, um euch zu fragen - dich und Jenny -, ob der Junge eine Zeitlang bei mir wohnen darf.«
Ian lachte sarkastisch auf. »Ach ja! Wir sollen erlauben, daß er an deiner Seite aufgeknüpft oder deportiert wird, oder was?«
»Du weißt, ich würde nicht zulassen, daß ihm etwas geschieht«, entgegnete Jamie zornig. »Um Gottes willen, Ian, ich habe den Jungen so gern, als wäre er mein eigener Sohn, und auch das weißt du ganz genau!«
Ian atmete schwer. »Ja, das weiß ich nur zu gut«, sagte er und sah Jamie fest in die Augen. »Aber er ist nicht dein Sohn, aye? Er ist meiner.«
Jamie hielt diesem Blick stand, dann stellte er behutsam die Teetasse wieder ab. »Aye«, erwiderte er ruhig. »Das ist er.«
Schwer atmend stand Ian da. Dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und strich seine dichten, dunklen Haare nach hinten.
»Also gut«, sagte er. Er holte tief Luft, bevor er das Wort an seinen Sohn richtete.
»Komm jetzt«, sagte er. »Ich habe ein Zimmer im Halliday’s.«
Der Junge umklammerte meine Hand noch fester. Er schluckte, rührte sich aber nicht vom Fleck.
»Nein, Papa.« Seine Stimme zitterte, und er kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. »Ich komme nicht mit.«
Ian wurde blaß, und auf beiden Wangen zeichneten sich rote Flecken ab, als wäre er geohrfeigt worden.
»Ach ja?« fragte er.
Sein Sohn nickte und schluckte. »Ich - ich gehe morgen mit dir, Papa. Morgen gehe ich mit dir heim. Aber nicht jetzt.«
Ian sah seinen Sohn lange schweigend an. Dann ließ er die Schultern sinken, und alle Spannung wich aus seinem Körper.
»So ist das also«, sagte er ruhig. »Na gut.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging, die Tür leise hinter sich zuziehend. Ich hörte das dumpfe Klopfen des Holzbeins auf den Stufen, als er die Treppe hinunterstieg, und gedämpfte Geräusche, als er unten ankam. Dann ertönte Brunos Abschiedsgruß, und die Außentür fiel ins Schloß. Abgesehen vom Knacken des Kaminfeuers war es im Zimmer totenstill.
Die Schultern des Jungen bebten. Nach wie vor hielt er meine Finger umklammert, und er weinte lautlos. Schließlich setzte sich Jamie neben ihn; hilflose Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Ian, ach, mein Junge«, sagte er. »Bei Gott, mein Kleiner, das hättest du nicht tun sollen.«
»Ich konnte nicht anders.« Ian keuchte, und ich merkte, daß er die Luft angehalten hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah er
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