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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kreuzunglücklich
aus, schien aber zu dem Geständnis fest entschlossen. »Ich… habe Laoghaire erzählt, daß ihr hier seid. Deshalb ist sie hier aufgetaucht.«
    »Ach so.« Nun, das löste ein Rätsel. Ich leerte das Glas und setzte es vorsichtig zurück auf das Tablett.
    »Ich hatte nicht damit gerechnet… ich meine, ich wollte dieses Durcheinander nicht, wirklich nicht. Ich wußte ja nicht, daß du… daß sie…«
    »Ist schon gut«, wiederholte ich. »Früher oder später hätte es eine von uns beiden ohnehin herausgefunden.« Obgleich es nichts änderte, fragte ich sie neugierig: »Aber weshalb hast du es ihr überhaupt erzählt?«
    Das Mädchen blickte sich vorsichtig um, als sie Schritte auf der Treppe hörte. Dann beugte sie sich zu mir herüber.
    »Mutter hat gesagt, ich soll es ihr sagen«, flüsterte sie. Dann stand sie auf und ging hastig an ihrer Mutter vorbei aus dem Zimmer.
    Ich schwieg. Jenny hatte ein Kleid für mich aufgetrieben. Es gehörte einem der älteren Mädchen. Wir sprachen nur das Nötigste, als sie mir hineinhalf.
    Nachdem ich angezogen war und mein Haar gebürstet und hochgesteckt war, wandte ich mich zu ihr um.
    »Ich möchte gehen. Sofort.«
    Sie erhob keinen Einwand, sondern sah mich nur prüfend an, um festzustellen, ob ich auch sicher genug auf den Beinen war. Als sie schließlich zustimmend nickte, vermied sie es, mich anzusehen.
    »Das ist wohl das beste«, meinte sie leise.
     
    Am späten Vormittag verließ ich Lallybroch zum vermutlich letzten Mal. Zu meinem Schutz trug ich einen Dolch im Gürtel, obgleich ich ihn gewiß kaum benötigen würde. Die Satteltaschen waren gefüllt mit Proviant und etlichen Flaschen Ale - genug, um bis zum Steinkreis zu kommen. Einen Moment lang war ich versucht, auch die Fotos von Brianna, die noch in Jamies Rocktasche steckten, wieder an mich zu nehmen, ließ es aber bleiben. Im Gegensatz zu mir gehörte das Mädchen für immer zu ihm.
    Der düstere Morgen kündigte einen kalten Herbsttag mit tristem Nieselregen an. Keine Menschenseele war in unmittelbarer
Nähe des Hauses zu sehen, als Jenny das Pferd aus dem Stall führte und mich aufsitzen ließ.
    Ich zog mir die Kapuze meines Umhangs tiefer ins Gesicht und nickte ihr zu. Beim letztenmal hatten wir uns wie Schwestern umarmt und unter Tränen voneinander verabschiedet. Sie ließ die Zügel los und trat einen Schritt zurück, als ich mich der Straße zuwandte.
    »Viel Glück«, hörte ich sie hinter mir herrufen. Doch ich ließ den Gruß unerwidert und drehte mich auch nicht um.
     
    Ich ritt fast den ganzen Tag, ohne sonderlich auf meine Route zu achten. Ich folgte der groben Richtung und überließ es dem Wallach, sich seinen Weg über die Bergpässe zu suchen.
    Bei Einbruch der Dämmerung hielt ich an. Ich zog dem Pferd Fußfesseln über und ließ es grasen. Dann hüllte ich mich in meinen Umhang, legte mich nieder und schlief auf der Stelle ein.
    Der Hunger riß mich am nächsten Tag schließlich aus meiner Lethargie. Ich hatte gestern keine einzige Rast eingelegt, und am Morgen war ich ohne Frühstück aufgebrochen. Als sich mein Magen mittags ärgerlich meldete, unterbrach ich meinen Ritt in einer Schlucht neben einem sprudelnden Bach und packte den Proviant aus, den Jenny mir in die Satteltaschen gesteckt hatte.
    Er bestand aus Haferkuchen und Ale und einer Handvoll kleiner, frischer Brotlaibe, die mit Schafskäse und eingelegten Gewürzgurken gefüllt waren. Ein Hochlandsandwich, so typisch für Lallybroch wie Erdnußbutter für Boston.
    Ich verspeiste ein Brot und stillte meinen Durst mit Ale aus der irdenen Flasche. Dann saß ich wieder auf. Die Mahlzeit hatte mir nicht nur meine körperlichen Kräfte zurückgegeben, sondern leider auch meine Gefühle wieder aufleben lassen. Je höher wir uns die Berge hinaufbewegten, desto gedrückter wurde meine Stimmung.
    Das Pferd war willig, ich nicht. Am Nachmittag hatte ich das Gefühl, kein Stück mehr weiterreiten zu können. Ich führte den Wallach so tief in ein kleines Dickicht, daß man ihn vom Weg aus nicht mehr sehen konnte, legte ihm die Fesseln locker um die Hufe und ging selber noch ein Stück weiter, bis ich den umgestürzten, moosbewachsenen Stamm einer Espe erreichte.

    Ich ließ mich darauf nieder, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte den Kopf in die Hände. Mir tat alles weh. Weniger von dem Kampf mit Jamie oder von dem Ritt, sondern aus Gram.
    Mein Leben war von Selbstbeherrschung und Vernunft geprägt. Ich hatte die

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